Wurstbrote, Tomaten und Filme

Das mobile Kino „a wall is a screen“ begleitet vor allem die zunehmende innerstädtische Kontrolle kritisch. Nun bespielt es auf dem Kulturfest zur Einheit ungewohnte, versteckte und weiße Wände der Hafencity mit Kurzfilmen

taz: Frau Budde, Frau Haubenreisser, Ihre Filmabende begleiten kritisch eine zunehmende städtische Kontrolle. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem „Tag der deutschen Einheit“?

Kerstin Budde: Wir arbeiten schon länger mit der Hamburg Marketing GmbH zusammen. Mit der Inferno Event Agentur gestalten sie das Programm zur deutschen Einheit und schätzen erstaunlicherweise unseren kritischen Ansatz und luden uns als eine Kulturinstitution ein.

Antje Haubenreisser: Wir haben absolute künstlerische Freiheit. Ohne diese Voraussetzung hätten wir das nicht gemacht. Ich fühle mich nicht vereinnahmt.

Wie gehen Sie mit dem Ort der Hafencity um?

Haubenreisser: Wir zeigen genau die Filme, die wir auch in den Innenstädten vorführen. Tatsächlich ist der Ort sehr interessant. Zum einen erstrecken sich die Feierlichkeiten auf die Hafencity, zum anderen auf die Speicherstadt, d. h. es gibt einen alten und einen neuen Teil. Wir wandern vom neuen Teil in den alten und dann ins Brachland. Die Gegebenheiten, die wir da vorgefunden haben, passen sehr gut in unser Programm. Sie spiegeln den Kontrast, den wir mit den Filmen hervorheben wollen. Die hellen Wände können einen anderen Blick auf Bekanntes und Ausgeschlossenes zeigen.

Gibt es einen Themenschwerpunkt?

Budde: Die Filme drehen sich um den Tag der deutschen Einheit. Wir haben viel diskutiert, wie wir an dieses Thema herangehen wollen. Zeigen wir einen historischen Abriss? Zeigen wir Menschen, die versuchen zu fliehen? Oder ehemalige Sportstätten in der DDR. Wir haben dann entschlossen, ein Programm zu entwickeln, das mit dem Mauerfall beginnt. Unser erster Film spielt am Tag der Währungsunion, als die D-Mark im Osten verteilt wurde, und wird auf ein Bankhaus projeziert. Hier fangen wir an und gehen in die Gegenwart und die Zukunft. Wir haben eine Mischung aus dokumentarischen Filmen, Filme, die heute das Zusammenleben von Ost und West darstellen, und fiktionale Filme.

Haubenreisser: Bei der Sichtung der Filme stellten wir fest, dass wir bedauern, dass der Kapitalismus als das einzige System anerkannt wurde. Es war tatsächlich ein Übergreifen. Kein Schauen nach den positiven und negativen Sachen beider Systeme aus denen etwas Gemeinsames gebastelt wurde. Sondern – zack – der Kapitalismus hat gewonnen.

Beziehen Sie den Hannoverschen Bahnhof mit ein? Ein Denkmal, das an die Deportation von 6.000 Hamburger Juden und Jüdinnen erinnern soll.

Budde: Das war zu weit. Wir wollten ihn miteinbeziehen, aber er steht im kompletten Brachland, ohne eine Projektionsfläche.

Das Motto des Bürgerfestes lautet „Kulturnation“. Wie reihen Sie sich hier ein?

Budde: Kulturnation Deutschland ist normalerweise kein Begriff, mit dem wir arbeiten. Aber wir hätten nicht mitgemacht, wenn es keinen Bezug zur Kultur gegeben hätte. Ich versteh mich nicht als Teil einer Kulturnation, aber ich finde diesen Begriff auch nicht so schauerlich, dass wir nicht mitmachen könnten. Es ist schade, dass sie kein anderes Motto gefunden haben, denn das, was an dem Tag passieren kann, ist gut. Es gibt verschiedene Kooperationen aus dem Osten und dem Westen. Wir haben tolle Filme ausgesucht und sind tatsächlich sehr gespannt auf die Reaktionen. Auf das Fest kommen Leute, die nur da sind, um Wurstbrote zu essen. Stehen wir alleine oder werden wir mit Tomaten beworfen? Die Filme haben alle einen kritischen Ansatz. Interview: Kendra Eckhorst

Sa, 4. 10., 20.30 Uhr, Magellan Terrassen