Wochenübersicht: Kinderhort: Winkelmaiers suchen nach den schönsten Spielsachen
Wie gemacht für Anhänger der Milieutheorie ist der aktuelle Kinderfilm des Monats, den das Kinderkinobüro des Jugendkulturservices jetzt im Oktober durch die Berliner Lichtspielhäuser schickt.
„Der Prinz und der Prügelknabe“ ist zwar ein Märchen, erzählt von Tommi, der den Hintern hinhalten darf für den Prinzen Boris. Denn zwar stellt Boris allerhand an, aber königliches Sitzfleisch darf eben nicht gezüchtigt werden und Tommi hat durch eine unglückliche Verkettung von Umständen ausgerechnet den Job als Ersatz-Arsch abgegriffen, er ist im wahrsten Sinne des Wortes der Prügelknabe des Prinzen. Aber der Film von 1995, zu dem Sid Fleischmans Roman „The Whipping Boy“ die Vorlage lieferte, wäre kein Märchen, wenn sich nicht alles zum Guten wenden würde: Denn natürlich ist Boris nicht wirklich böse, sondern in der Tiefe seines Herzens auch ein prima Mensch. Nur ein bisschen verzogen, der Thronfolger, aber vor allem allein gelassen von den Eltern, unglücklich mit der ihm zugewiesenen Rolle. Nur die Umstände und die Erziehung haben das Monster erschaffen. Aber Heilung naht, denn es kommt, wie es kommen muss: Kaum werden die Jungs entführt und tauschen versuchsweise die Identitäten, keimt das zarte Pflänzchen Freundschaft zwischen den bis dahin so unterschiedlichen Charakteren.
Die New York Times fand diesen zweiten Teil wesentlich unverdaulicher als den ersten, weil dann „so schreckliche 90ies-Sachen passieren“ – unter anderem lernt der König gemeinsam verbrachte Zeit mit seinem Sprössling zu schätzen. Ein Konzept, das heutzutage verfangen mag, in der Zeit allerdings, in der der Film angesiedelt ist, beim besten Willen nicht vorstellbar war. Kurz gesagt: In diesem vor allem unterhaltsamen Film lernt man zwar nichts übers Mittelalter, aber dafür umso mehr über die Neunziger.
Kinderfilm des Monats: „Der Prinz und der Prügelknabe“, Sa.+So. im Nickelodeon, 13 Uhr. Weitere Termine. www.kinderkinobuero.de
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