Die kuwaitische Geschäftswelt in den Startlöchern

Die Bevölkerung in dem Golfstaat erhofft sich von einer neuen Regierung in Bagdad ein gutes Business. Der Optimismus könnte bald verfliegen

KUWAIT-STADT taz ■ Im kuwaitisch-irakischen Grenzgebiet herrscht Aufbruchstimmung. In Al-Abdali, einem Teil des Grenzgebietes, in dem mit Hilfe von Bewässerung der Wüste ein kleines Stück landwirtschaftlich kultiviertes Gebiet abgerungen wurde, sind die Nutzungspreise für das Staatsland innerhalb eines Jahres um über 200 Prozent gestiegen. „Wir alle erwarten den Sturz Saddam Husseins“, sagt der kuwaitische Gutsherr Ahmad Khalaf, der jedes Wochenende auf seinen Landsitz fährt, auf dem Immigranten aus Bangladesch und Indien die Arbeit verrichten. „Wenn die Grenze zum Irak erst mal offen ist, wird sich dieses Gebiet weiterentwickeln.“

Khalaf erwartet, dass die Preise für die Nutzung des Landes noch einmal um das Dreifache steigen werden. Er hat nicht vor, Land zu verkaufen. Im Gegenteil, er will dazukaufen. Das Gebiet an der irakischen Grenze, einst Zonenrandgebiet und als eher minderwertig angesehen, entwickelt sich als zukünftiges Tor in den Irak zum Verkaufsschlager, in einem Land, in dem generell die Bodenpreise seit Jahren ansteigen. Geld genug ist vorhanden. Viele Kuwaitis haben ihre Investitionen nach dem 11. 9. 2001 aus den USA abgezogen und suchen nach Anlagemöglichkeiten im eigenen Land.

Die ganze kuwaitische Geschäftswelt ist vom Nach-Saddam-Virus angesteckt. Der kuwaitische Wirtschaftswissenschaftler Amer Al-Tameemi beschreibt die Zuversicht im kleinen Wüstenstaat in wenigen Worten. „Die Geschäftsleute übergehen einfach die Irakkrise und gehen davon aus, dass es gut ausgehen wird. Sie studieren schon heute, wie in der Nach-Saddam-Zeit Geld zu machen ist“, sagt der Chef der kuwaitischen Wirtschaftsgesellschaft.

Der Irak habe keine Banken, keine Investitions- und keine Versicherungsfirmen. All das sei im Kuwait im Angebot, erklärt auch der Parlamentsabgeordnete Ahmad Raba’i, der einen kuwaitischen Wirtschaftsboom erwartet, wenn erst einmal eine neue Regierung im Irak etabliert ist. „Wir werden das erste Land sein, das mit dem Irak gute Beziehungen aufnehmen wird. Unsere Grenze wird innerhalb von 24 Stunden geöffnet“, lautet seine optimistische Prophezeiung.

Viele kuwaitische Investoren scheinen diese Vorstellung zu teilen. Die Börse hat letzte Woche ein Fünfjahreshoch erreicht. Besonders beliebt: die Aktien der Banken und Investmenthäuser. Es sind historische und familiäre Verbindungen, besonders zum Süden des Irak und der von Kuwait-Stadt weniger als zwei Autostunden entfernten irakischen Stadt Basra, die viele hoffen lässt, gerade dort beim Wiederaufbau ein Stück des Kuchens abzukriegen. Immerhin hat jeder sechste Kuwaiti Verwandtschaft und damit potenzielle Geschäftspartner im Irak.

Doch es gibt auch kritische Stimmen. Außer viel Gerede gebe es keine Konzepte für die Nach-Saddam-Zeit, weder von der Regierung noch vom Privatsektor, sagt Walid Nussuf, der Chefredakteur der einflussreichen kuwaitischen Tageszeitung Al-Qabbas. Außerdem stelle sich die Frage, wie realistisch der Optimismus sei. Es werden die US-Firmen sein, die den Löwenanteil zum Wiederaufbau Kuwaits erhalten werden. Fraglich ist auch, ob die Iraker ihre Animositäten gegenüber Kuwait ablegen werden, um in größerem Stil gemeinsame Sache zu machen.

Und dann steht da noch ein großes Fragezeichen über dem Öl, das über 90 Prozent des Exportes ausmacht. Wenn der Irak seine Produktion wieder auf die Höhe von 3,4 Millionen Fass am Tag, wie vor dem Golfkrieg 1991, fahren kann, dann droht der Ölpreis zu fallen, sollten nicht andere Golfstaaten ihre Quoten nach unten fahren. Der kuwaitischer Geschäftsoptimismus könnte sich schnell als Illusion erweisen. KARIM EL-GAWHARY