Noch keine Entwarnung

Die Zahl der Aktionäre in Deutschland hat sich stabilisiert. Die Vertrauenskrise am Kapitalmarkt ist aber noch nicht überwunden, erkennt eine Studie des DAI. Mehr direkte als indirekte Anleger

„Der seit zwei Jahren zu beobachtende rückläufige Trend der Aktionärszahlen ist im zweiten Halbjahr 2002 weitgehend beendet worden.“ Zu diesem Ergebnis kommt das Deutsche Aktieninstitut (DAI) in seiner regelmäßig im Januar veröffentlichten Analyse des vorhergehenden Aktienjahres. Jedoch sei es verfrüht, so das Fazit, „aus der Wende bei den Aktienbesitzern und der Stabilisierung der Gesamtzahl der Aktienanleger bereits jetzt den Schluss zu ziehen, die Vertrauenskrise am Kapitalmarkt sei überwunden“. Vielmehr bestehe wohl „innerhalb der Anlegerschaft weiterhin eine erhebliche Nervosität“.

Diese Unsicherheiten lassen sich vor allem dann ablesen, wenn man die Zahlen der direkten Aktionäre mit denen der Fondsanleger vergleicht. So verzeichnet die Studie zunächst einen „nicht unbeträchtlichen Anstieg“ der direkten Aktionäre im zweiten Halbjahr 2002 um rund 631.000 Anleger.

Demgegenüber sank nach DAI-Angaben deren Zahl von ihrem Höchststand im Jahr 2000 bis zum ersten Halbjahr 2002 kontinuierlich von 6,2 Millionen auf 4,7 Millionen. Im zweiten Halbjahr 2002 besaßen laut den Erhebungen insgesamt wieder 5,3 Millionen aller Deutschen über 14 Jahre Aktien, was einer Steigerung gegenüber dem ersten Halbjahr um 13,5 Prozent entspricht. Damit besäßen 8,3 Prozent der Deutschen direkt Aktien (erstes Halbjahr 2002: 7,3 Prozent). Den Höchststand verzeichnete man mit 9,7 Prozent im Jahr 2000. Als Ursache für die Zunahme der Zahl der Direktaktionäre vermuten die Verfasser der Studie, dass „offensichtlich manche die Tiefstände der Kurse im zweiten Halbjahr als Gelegenheit zum Wieder- oder Neueinstieg“ in den Markt genutzt haben.

Anders ist die Lage bei den Fondsanlegern. Die indirekten Aktionäre seien „durch die sinkenden Anteilspreise vermutlich eher abgeschreckt“ worden, so das Institut. Die Frankfurter verzeichneten nach dem Tiefstand des Deutschen Aktienindex im Oktober mit 2.600 Punkten bis zu seinem anschließenden Höchststand im November bei 3.360 Punkten immerhin eine Schwankungsbreite von 30 Prozent – was einige Anteilseigner offenbar zum Verkauf genutzt haben. Denn im Gegensatz zur Zahl der Direktaktionäre hat die Zahl der Besitzer von Anteilen an Aktien- oder gemischten Fonds im zweiten Halbjahr laut der Studie „weiter abgenommen“: von 8,9 Millionen (13,9 Prozent der Bevölkerung) auf nunmehr 8,4 Millionen (13 Prozent). Absolut gesehen kehrten im ersten Halbjahr 412.000 Anleger „den Aktienfonds den Rücken“, im zweiten Halbjahr summierte sich der Rückgang auf weitere 553.000 Anleger. Gegenüber dem Höchststand im ersten Halbjahr 2001 mit 10,2 Millionen Fondsbesitzer betrage der Rückgang insgesamt 1,82 Millionen (knapp 18 Prozent). Allerdings hinkt die Entwicklung beim Fondsbesitz, statistisch betrachtet, der Entwicklung beim direkten Aktienbesitz um etwa ein Jahr hinterher. So sei die bisherige Höchstzahl der Aktionäre in Deutschland im Jahr 2000 erreicht gewesen – parallel zu den Höchstständen der Indizes von DAX und Neuem Markt. Die höchste Zahl der Fondsbesitzer verzeichnete man indes im ersten Halbjahr 2001. Ob sich dies wiederhole, so die DAI-Experten, und die nächsten Umfrageergebnisse „auch eine Trendwende bei den Fondsbesitzern ergeben, hängt im Wesentlichen von den künftigen Entwicklungen am Kapitalmarkt, aber auch vom außen- und wirtschaftspolitischen Umfeld ab“.

Diese gegenläufige Entwicklung bei der Direktanlage in Aktien und Aktienfonds im zweiten Halbjahr 2002 führe dazu, dass die Gesamtzahl der Aktienanleger gegenüber dem ersten Halbjahr „nahezu unverändert“ geblieben ist. Demnach besitzen mit 11,5 Millionen Anlegern 17,9 Prozent der Deutschen direkt oder indirekt Aktien. Im ersten Halbjahr seien es 11,57 Millionen gewesen. Damit jedoch haben sich die Zahlen innerhalb des letzten halben Jahrzehnts nahezu verdoppelt: 1997 besaßen erst 5,6 Millionen Deutsche (8,9 Prozent) Aktien oder Anteile an Aktienfonds. ANDREAS LOHSE