Der Starkandidat heißt Asmi Bischara

Drei arabische Listen sind in der Knesset. Doch arabische Israelis wählen auch zionistische Parteien – oder boykottieren die Wahl

TEL AVIV taz ■ „Mindestens 40 Prozent boykottieren“, frohlockt die radikalnationalistische Bewegung „Söhne des Dorfes“. Umfrageinstitute bestätigen jedoch diese Prophezeiung für das Wahlverhalten der arabischen Israelis, die 20 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, nicht. Im Gegenteil: Prof. Sammy Smooha, Soziologe an der Universtität Haifa, rechnet mit einer „wenig höheren Wahlbeteiligung als üblich“, also zwischen 70 und 75 Prozent, was dem Landesdurchschnitt sehr nahe kommt.

Zwar sei die Wahlbereitschaft bei ersten Umfragen, die Ende vergangenen Jahres abgehalten wurde, eher gering gewesen. Das war jedoch auf das Verbot zweier arabischer Listen durch das Wahlkomitee zurückzuführen. Die beiden Listen unter der Führung von Asmi Bischara und Achmad Tibi sind nach einer entsprechenden Eingabe vor dem Obersten Gerichtshof in Jerusalem unterdessen wieder zugelassen worden. „Bischara wird der Star der Wahlen werden“, glaubt Prof. Smooha. Er wisse Profit aus dem Medienspektakel zu schlagen, das um das anfängliche Verbot seiner Kandidatur veranstaltet wurde.

Tatsächlich wird Bischara von der lokalen Presse nicht nur gelobt. Von Opportunismus ist dort die Rede; die „Söhne des Dorfes“ schimpfen ihn gar einen Heuchler, der „mit der Anerkennung des jüdischen Charakters des Staates Israel mehr geliefert hat, als ihm abverlangt wurde“, um zu den Wahlen wieder zugelassen zu werden.

Zweifellos sind die Aktivisten dieser weltlichen linken Bewegung über Bischaras Abkehr vom Boykott enttäuscht, der für sie das zentrale Mittel darstellt, um „die Verbindung zum israelischen Establishment und der zionistischen Gesamtheit“ zu brechen. Als Alternative zur Knesset zielen die „Söhne des Dorfes“ auf eine „palästinensische Autonomie innerhalb Israels“ ab, das ein eigenes, rein arabisches Parlament hätte.

2001 gab es den bislang einzigen umfangreichen Wahlboykott durch die arabische Bevölkerung. Damals wurde nicht das Parlament, sondern nur der Premierminister bestimmt. 80 Prozent der arabischen Bevölkerung blieben am Wahltag zu Hause. „Es wäre schlimm, wenn die arabischen Wähler eine Parlamentswahl boykottieren“, meint der Politologe Dr. Assad Ghanem von der Universität in Haifa. Es käme einer „Absage an die eigenen Vertreter“ gleich.

Drei arabische Listen sind in der Knesset vertreten: die islamische Arabische Nationale Partei, die weltliche Balad von Asmi Bischara sowie ihre Schwesterpartei Taal von Achmad Tibi, die bei den Wahlen mit der antizionistischen Liste Chadash zusammengehen wird. Die Chadash stellt zwar arabische und jüdische Kandidaten auf, wird jedoch fast ausschließlich von arabischen Staatsbürgern gewählt. Während die Chadash von einer Zweistaatenlösung, Israel und Palästina, ausgeht, visioniert Bischara nach einer Übergangsfrist mit zwei Staaten einen binationalen, demokratischen Staat für Juden und Araber.

Untersuchungen des Soziologen Smooha zufolge wählen knapp ein Drittel der arabischen Wähler zionistische Parteien, vor allem die Arbeitspartei und Meretz, aber auch den Likud, Letzteres „vor allem die Drusen“. Rund 30 Prozent gäben ihre Stimme der islamischen Liste. Der Rest verteile sich auf Chadash und Balad. SUSANNE KNAUL