Kurze Wege, schnelle Pässe, intensive Angriffe

Die Experten bei der Handball-WM sind sich vor der Hauptrunde einig, dass das Niveau des Spiels weiter gestiegen ist

VISEU taz ■ Gastgeber Portugal hat sich für die jetzt in die zweite Woche gehende Handball-Weltmeisterschaft viel vorgenommen. Selbst wenn Javier Garcia Cuesta von vornherein wusste, dass es bei der bestehenden Konkurrenz vielleicht keine ganz realistische Zielsetzung ist, möchte er mit seinem Team möglichst Platz sieben und damit die Olympiaqualifikation für Athen 2004 schaffen. Der 56-jährige Spanier ist seit drei Jahren Trainer der portugiesischen Nationalmannschaft und schöpft zudem aus einem langjährigen Erfahrungsfundus im Welthandball. Zunächst gehörte er zu den großen Zeiten von Atlético Madrid selbst zu den besten Spielern Spaniens, danach folgten nationale Trainerehren. Seine direkte Station vor Portugal war die Nationalmannschaft Ägyptens, davor die der USA.

Den aktuellen Stand der Dinge beschreibt der Fachmann stellvertretend für zahlreiche seiner Kollegen wie folgt: „Der Handball hat sich tatsächlich in den letzten beiden Jahren noch mal verändert, das heißt, er ist noch besser geworden.“ Nicht nur schneller, sondern der gesamte Spielrhythmus habe sich geändert, ob mit schneller Mitte oder ohne. „Kurze Laufwege und schnelle, harte Pässe über wenige Stationen. Darauf folgt ein intensiver Angriff, was weder Angreifern noch Verteidigern eine Pause gönnt“, analysiert der Spanier.

Garcia Cuesta erweist sich darüber hinaus als Kenner des deutschen Handballs, indem er fortfährt: „Die Bundesliga ist jetzt unbestritten die stärkste Liga der Welt, dann folgt die spanische. Seit sechs, sieben Jahren spielen dort die besten Spieler der Welt, das Niveau der Trainer ist entsprechend.“ Das permanente Gefordertwerden auf diesem Niveau, sowohl in den Spielen als auch im Training, komme der Leistungsentwicklung der einzelnen Spieler zugute und damit letztlich auch ihren Nationalmannschaften. „Kein Wunder also, dass die Spitze im Welthandball in den letzten Jahren breiter geworden ist.“

Die Initialzündung zur nochmaligen Beschleunigung des ohnehin schon schnellen Ballsports kam aus Spanien. Dort wurde die Regeländerung, dass die ballführende Mannschaft ihren Angriff nach einem Tor schon einleiten kann, wenn sich noch nicht alle Gegner wieder in ihrer Abwehrhälfte befinden, bereits zwei Jahre früher eingeführt als in Deutschland. Auch der Abwehrchef des deutschen Nationalteams, Klaus-Dieter Petersen, leitet die hohe Leistungsdichte innerhalb der führenden Handballnationen daraus ab: „Mittlerweile haben nicht nur wir, sondern viele Mannschaften dieses Tempospiel perfektioniert.“ Um seinen Arbeitsplatz muss der Defensiv-Spezialist deswegen nicht fürchten: „Es gibt zwar weniger Zeit zum Auswechseln, da das Spieltempo sich aber so erhöht hat, braucht jeder im Prinzip schon nach zehn Minuten eine Pause.“

Zwei ganze Tage Pause werden die qualifizierten Teams gehabt haben, wenn es morgen in Portugal ernst wird. Die deutsche Mannschaft zieht nach dem abschließenden 34:29 gegen Island als Gruppensieger gemeinsam mit dem drittplatzierten Portugal nach Povoa de Varzim um und trifft in der Hauptrundengruppe II auf Tunesien und Jugoslawien. Wie Bundestrainer Heiner Brand bereits im Vorfeld der WM betonte, wird es beim Kampf um je einen Halbfinalplatz in vier Gruppen keine leichten Gegner mehr geben. Trotzdem scheinen die Deutschen im Vergleich mit anderen Favoriten wie Frankreich, das es mit Schweden zu tun bekommt, oder Dänemark, das sich mit Kroatien und Russland auseinander setzen muss, die dankbareren Aufgaben erwischt zu haben. Die Chancen zum Erreichen des Halbfinales stehen mehr als gut. ANKE BARNKOTHE