Freibeuter auf Butterfahrt

Die stärkste Offensive der National Football League ist machtlos gegen die stärkste Defensive,und die Oakland Raiders verlieren Super Bowl XXXVII gegen die Tampa Bay Buccaneers mit 21:48

aus San Diego FALK BORNEMANN

Der Kampf der Piraten geriet für die Freibeuter aus Florida zur fröhlichen Butterfahrt. Mit 48:21 bezwangen die Tampa Bay Buccaneers im Endspiel der National Football League (NFL) die Oakland Raiders, die in einer über weite Strecken einseitigen Begegnung in Super Bowl XXXVII in San Diego frühzeitig die Segel streichen mussten. „Das war eine dominierende Vorstellung“, fasste Tampas Cornerback Ronde Barber zusammen, was die 77.000 Zuschauer im ausverkauften Qualcomm Stadium zuvor zu sehen bekommen hatten. Denn die Mannschaft von Buccaneers-Cheftrainer Jon Gruden, der im Vorjahr vom Endspielgegner aus der Bay Area gekommen war, beherrschte die Raiders über weite Strecken des Spiels nahezu nach Belieben.

Womit auch die von den US-Sportkommentatoren in den Wochen zuvor leidenschaftlich diskutierte Frage eindeutig beantwortet war, ob denn nun der beste Angriff der Liga, jener der Oakland Raiders, oder die stärkste Abwehr der zurückliegenden NFL-Saison, jene der Bucs, den Sieg davontragen würde. „Die Bucs haben diesen Erfolg vollauf verdient“, befand Raiders-Quarterback Rich Gannon nach einem für ihn frustrierenden Nachmittag im sommerlichen Südkalifornien. Gleich fünf Pässe des „wertvollsten Spielers“ der regulären NFL-Saison landeten beim Gegner. „Das war“, beurteilte Gannon seine Arbeitsleistung und jene seiner Nebenleute nüchtern, „nicht unser Tag.“ Und Tampas Defensive Coordinator Monte Kiffin kam angesichts der Gala seiner Abwehr ins Schwärmen: „Ich weiß nicht, ob ich je eine bessere erste Halbzeit gesehen habe als diese gegen den besten Angriff der NFL.“

Dabei geriet der Auftakt für sein Team alles andere als viel versprechend. Kaum war die US-Hymne, gesungen vom Frauen-Trio Dixie Chicks, verklungen, da warf Buccaneers-Quarterback Brad Johnson den Ball in die Arme von Oaklands Cornerback Charles Woodson. Und die Raiders nutzten die Interception per Field Goal zur 3:0-Führung. Mehr aber sollte der gefürchteten Angriffsformation der Kalifornier für lange Zeit nicht gelingen. Und so nahm Tampa nach zähem Beginn das Heft in die Hand, oder besser: Die Männer aus Florida wurden vom Gegner höflich dazu eingeladen. Gannon fand mit seinen Passversuchen keine Abnehmer aus den eigenen Reihen, wohl aber einen im roten Trikot der Bucs: Noch vor der Halbzeitpause fing Tampas Safety Dexter Jackson zwei Zuspiele des Raiders-Quarterbacks ab, was ihm den Titel „Wertvollster Spieler der Partie“ eintrug. Keine alltägliche Auszeichnung für einen Abwehrspieler.

Der Angriff der Raiders blieb auch in der Folgezeit den Nachweis seiner über die gesamte Saison bewiesenen Klasse schuldig. Man könnte auch sagen, Gannon und seine bevorzugten Anspielstationen Jerry Rice, Terry Porter und Tim Brown sowie der weitgehend wirkungslose Ballträger Charlie Garner bekamen von Tampas Abwehr ihre Grenzen aufgezeigt. „Bei ihnen geht es um Tempo – und wir haben ihren Bus gestoppt“, so „Bucs“-Defensive Tackle Warren Sapp. Der Mann mit der Rückennummer 99, Seele seines Teams, unermüdlicher Sprücheklopfer und darob Liebling der Medien, hatte daran beträchtlichen Anteil.

Während in der Halbzeit drunten auf dem Rasen ein Staraufgebot mit Sting und No Doubt die Zuschauer bei Laune hielt, denen überdies in den Spielpausen seelische Erbauung durch Grußadressen zahlloser Angehöriger der US-Streitkräfte zuteil wurde, musste Oaklands Cheftrainer Bill Callahan in den Katakomben des Stadions alles daran setzen, sein bis dahin grenzenlos enttäuschendes Team wieder aufzurichten. Allein, Callahans mutmaßlich etwas lautere Ansprache verpuffte wirkungslos. Bei Gannon und Co. lief weiterhin wenig zusammen und allmählich wuchs sich das Ganze für Oakland zur Blamage aus. 34:3 stand es, als sich das dritte Viertel dem Ende zu neigte. Längst waren die Fangesänge der Raiders-Anhänger verstummt, während dort, wo die Mehrzahl der Zuschauer die roten Kutten der Buccaneers trug, bereits gefeiert wurde.

Womöglich fühlten sich die Stars aus Oakland nun bei der Ehre gepackt, denn sie machten sich daran, den Abstand zu verkürzen. Was sich zunächst als bloße Ergebnis-Kosmetik ausnahm, ließ die Begegnung tatsächlich noch einmal leidlich spannend werden. Sechs Minuten vor Schluss waren die Raiders nach einem Touchdown des 40-jährigen Jerry Rice bis auf 21:34 herangekommen und die „Raider Nation“ auf der Tribüne geriet noch einmal in Wallung.

Freilich nicht für lange Zeit. Es war eben einfach nicht der Tag des Rich Gannon. Der Raiders-Spielmacher setzte alles auf eine Karte und wurde prompt mit der nächsten Interception bestraft. Tampas Derrick Brooks fing den Ball ab und zerstörte gut eine Minute vor Schluss mit seinem 44-Yard-Return zum 41:21 die ohnedies nurmehr theoretischen Chancen des Gegners. Dass der völlig frustrierte Gannon sich Sekunden vor dem Ende noch einen weiteren Fehlpass leistete, der Dwight Smith die Punkte zum deutlichen Endergebnis erlaubte, passte ins Bild.

Er könne jedem Gegner, der den Ball werfen wolle, „nur viel Glück wünschen“, wusste Buccaneers-Trainer Gruden die grandiose Leistung seiner Passverteidigung richtig einzuschätzen. Der 39-Jährige konnte im Konfettiregen als jüngster Trainer der NFL-Geschichte die Vince Lombardi Trophy in Empfang nehmen. Und er hatte noch eine veritable Drohung für jene parat, die den neuen Titelträger kommende Saison entthronen wollen: „Wir werden noch viel besser.“