Leiser Abschied eines Alphatiers

Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel verspielt die letzte Chance zur Aufholjagd. Im „TV-Duell der Kronprinzen“ mit Roland Koch (CDU) wirkt der ehemalige SPD-Hoffnungsträger müde und verbraucht. Sein Gegner hat für ihn nur Spott übrig

von LUKAS WALLRAFF

Es war seine letzte Chance. Eine Woche vor der Wahl, die über seine politische Zukunft entscheidet, durfte sich Sigmar Gabriel am Sonntagabend noch einmal vor einem Millionenpublikum präsentieren. Einmal noch durfte er die Rolle spielen, die er so liebt und die ihm auf den fülligen Leib geschrieben schien: einen mächtigen Ministerpräsident mit Ambitionen, einen Kanzlerkandidaten der Zukunft. Eben einer wie Roland Koch, mit dem er sich zum „Duell der Kronprinzen“ bei Sabine Christiansen traf. „Die jungen Alphatiere von CDU und SPD“ – so hatte die ARD die beiden Studiogäste aus Hessen und Niedersachsen angekündigt. Das versprach, spannend zu werden.

Doch – um es kurz zu machen – Gabriel hat die Chance verpasst. Am Ende saß er müde und erschöpft in seinem Sessel, während Koch seinen Triumph genießen konnte. Von einem Aufbäumen gegen die schlechten Umfragewerte und die drohende Niederlage bei der Wahl am Sonntag war bei Gabriel nichts zu spüren. Er widersprach nicht einmal mehr, als der Hesse mehrmals gespottet hatte, „Sie gehören ja nicht zur SPD“.

Damit spielte Koch geschickt auf das Dilemma an, in das sich Gabriel in seinem ganzen Wahlkampf hineinmanövriert hatte: gleichzeitig für und gegen die SPD, das funktioniert nicht.

Wie ein Oppositionspolitiker wetterte der Niedersachse auch bei Christiansen gegen die Politik der eigenen Partei und gegen „das, was da nach der Bundestagswahl an Wirrwarr entstanden ist“. Gabriel ging sogar so weit, SPD-Finanzminister Hans Eichel vorzuwerfen, eine „Lebenslüge“ zu verbreiten, wenn er in Krisenzeiten glauben mache, man könne gleichzeitig sparen und die Konjunktur ankurbeln.

Zu sehr hat Gabriel auf das Image eines mutigen Parteirebellen gesetzt, als dass er noch davon lassen könnte, obwohl es inzwischen eher hilflos wirkt. Zu oft war er mit seinen Vorschlägen gescheitert, zu deutlich hatte er immer wieder eine Abfuhr erhalten, wie bei seinem parteiinternen Kampf für die Vermögensteuer. Für Koch war es deshalb ein Leichtes, Gabriel als Papiertiger zu karikieren. Im sicheren Gefühl seines wahrscheinlichen Sieges entwickelte der Hesse dabei sogar ungewohnt humoristische Züge. „Sie blasen immer schöne rote Luftballons auf“, spottete Koch. „Und dann kommt Ihr Bundeskanzler mit der Nadel und macht pliep, pliep, pliep – und alle Luftballons sind wieder geplatzt.“

Wenn es darauf ankommt, wirkt ein CDU-Politiker, der gegen die SPD-Regierung schimpft, eben einfach überzeugender. Ernsthaft in Schwierigkeiten geriet Koch deshalb nur am Anfang, als es um den drohenden Irakkrieg ging. Da ist Gabriel auf einer Linie mit seiner Partei, da spielt er ebenso wie Schröder auf der Klaviatur der Emotionen. „Wir können doch nicht unsere jungen Leute für Öl in den Krieg schicken“, rief Gabriel – und Koch fiel nicht mehr ein, als der SPD vorzuhalten, mit einem Thema Wahlkampf zu machen, das mit der Landespolitik doch nichts zu tun hat. Ein kurioser Vorwurf. Hätte er ihn ernst gemeint, hätte er gar nicht zu dieser Sendung kommen dürfen, sondern mit seinem hessischen Gegenkandidaten Bökel diskutieren müssen.

In Wirklichkeit will gerade Koch die Landtagswahlen zu einer Entscheidung über die Bundespolitik aufbauschen. „Wenn die Union in Hessen gewinnt“, versprach er bei Christiansen, „dann gibt es die Liste der 48 Steuererhöhungen nicht.“ Und damit hatte er Gabriel wieder in der Falle. „Dieser Meinung bin ich auch“, sagte der SPD-Politiker zu Kochs Kritik an neuen Steuern. „Ich glaube, dass das wachstumsschädlich ist.“

An seinen eigenen Wahlsieg dagegen scheint Gabriel selbst nicht mehr zu glauben. Während Koch tönte, durch eine Wiederwahl werde er seinen „Einfluss in der Bundespartei behalten“, hielt sich Gabriel zurück. „Sie werden wohl, egal wie die Wahl ausgeht, nach dem 2. mit mir rechnen müssen“, sagte er nur. „Als Ministerpräsident oder nicht als Ministerpräsident.“ Als Christiansen aber fragte, in welcher Funktion er künftig arbeiten werde, war von dem einst so selbstbewussten Gabriel nur zu hören: „Das entscheiden doch dann hinterher andere Leute.“ Für ein Alphatier ganz schön bescheiden.