Senat verkauft Strieders Zelt

Land gewährt dem Tempodrom nochmals letzten Zuschuss und sucht nach privatem Käufer. Die Betreiber wehren sich und fürchten ein Programm mit Schlamm-Catchen

Das Land Berlin lässt im Kulturzelt Neues Tempodrom die Peitsche knallen. Der von der Pleite bedrohte Veranstaltungsort erhält nach Beratungen im Senat am Dienstag zwar einen letztmaligen Zuschuss von 900.000 Euro. Zugleich will das Land das Zelt an einen privaten Käufer veräußern. Bis zum 31. März werde der Investorenmarkt sondiert, sagte Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) gestern nach der Kabinettssitzung. Die Stiftung Neues Tempodrom – bis dato Bauherrin und Eigentümerin des Tempodroms – müsse dann mit den potenziellen Käufern verhandeln.

Sarrazin ließ auch durchblicken, notfalls das Tempodrom in die Insolvenz schlittern zu lassen. „Wenn wir sehen, dass es keinen Sinn hat, ziehen wir die Reißleine.“ Zum angestrebten Kaufpreis wollte sich der Senator nicht konkret äußern. Seit der Eröffnung Ende 2001 produziert das einstige Aushängeschild von Bausenator Peter Strieder (PDS) rote Zahlen. Zum einen musste (und muss) das Land mehrfach zusätzlich öffentliche Mittel für die auf 30 Millionen Euro gekletterten Baukosten stecken. Zum anderen haben die Betreiber im ersten Spieljahr ein Minus von 500.000 Euro erwirtschaftet – im Wesentlichen durch die späte Eröffnung des Liquidroms und die schlecht laufende Gastronomie.

Nach Ansicht Sarrazins sind der Zuschuss, der den weiteren Betrieb sichert, und der geplante Verkauf die beste Lösung. Bei einer Insolvenz müsste das Land mit seiner Bürgschaft von 10 Millionen Euro haften. Um das zu vermeiden, habe der Senat diesen letzten Zuschuss gewährt, sagte Sarrazin. Die Kosten von 30 Millionen Euro werde man wohl von keinem Käufer bekommen, sagte er weiter. Aber in Deutschland gebe es 15 bis 20 Betreiber solcher Hallen, die als Interessenten in Frage kämen. Namen nannte der Senator nicht.

Sowohl Tempodrom-Gründerin Irene Moessinger, heute die Chefin der Betreiber-Gesellschaft, als auch Kabarettist Arnulf Rating, früher Mitglied im Stiftungsrat, zeigten sich „empört“ über die Senatsentscheidung. „Das ist ganz schlecht“, sagte Moessinger zur taz. Der Verkauf an einen Investor berge „zu viele Gefahren“ bezüglich der Struktur und des Programms des Kulturorts. Moessinger: „Sollen am Ende nur noch Misswahlen, Erotik-Messen und Schlamm-Catchen hier stattfinden?“

Statt das Tempodrom „abzustoßen“, sollte das Land das „Berliner Kulturprojekt“ stützen. Das Land, so Rating, müsse die Stiftung entschulden. Der Betrieb könne langfristig wirtschaftlich arbeiten. ROLA/STA