peter unfried über Charts
: „Herr Scheer, welches Auto soll man fahren?“

Das neue Auto (Teil 2): Ein Familienmann will einen Minivan. Aber andere wollen ihn zum 3-Liter-Audi zwingen

Was bisher geschah: Von einem längeren USA-Aufenthalt geistig erfrischt bzw. geschädigt, plant ein Familienvater den Kauf eines Minivans. Ein Umweltkiller! Ein Ressourcenvernichter! Spucke ins Gesicht progressiver Energiepolitik! Ein ökologisch sensibler Verwandter rastet total aus und will ihn zwingen, stattdessen ein Dreiliterauto zu erwerben.

Werde erwachsen, knurrte mein naher Verwandter. Du bist nicht mehr in der Phase vor dem richtigen Leben.

Ich: Eher danach. Habe mich ins Private zurückgezogen. Definiere mich über die Familie. Gehöre zur verlorenen mittleren Generation.

Er: Larmoyanz und Ironie helfen niemandem. Willst du progressive Energiepolitik unterstützen? Willst du, dass Autos gebaut werden, die weniger fossile Energie verbrauchen oder noch besser gar keine? Für die Welt deiner Kinder?

Will ich, sagte ich, das sei ja Ehrensache. Und für meine Patenkinder selbstverständlich auch. Aber erst mal wolle ich einen Minivan.

Mein nächster Verwandter: Ein Minivan sei ein Dinosaurier. Lichtjahre entfernt von jener Energieeinsparung und Effizienzrevolution, die der Bundestagsabgeordnete und Energiepapst Hermann Scheer in seinem Standardwerk „Solare Weltwirtschaft“ formuliert habe.

Ich (fröhlich): Wen schert’s?

Er (erregt): Falls ich störrisch bleibe, werde der Krieg im Irak neben der Verteidigung der freien Welt und anderer sicher berechtigter Interessen letztlich auch für mich und meinen beschissenen Minivan geführt.

Ich (möglichst kalt): Nicht auf diesem Niveau.

Zu Hause weinte ich. Dann kaufte ich mir den Scheer. Dann rief ich zurück: Okay, okay.

Ich durfte dann eine Testfahrt mit dem A 2 arrangieren. Die erste meines Lebens. Ich schloss eine kostenlose Vollkasko mit Eigenbeteiligung ab (750 Euro!) und sprach dabei zu dem aufrechten Audi-Mann voller Hochachtung von seinem Unternehmen und dessen Bewusstsein für die Umwelt und die Endlichkeit fossiler Brennstoffe.

Der Verkäufer war auch begeistert. Super Auto. Er führte die Automatic-Schaltung vor. Super. Vor allem, wenn man den ECO-Knopf nicht gedrückt habe. Er drücke ihn nie. Dadurch ziehe der Wagen richtig prima ab.

Kann man so mit drei Litern auskommen, fragte ich.

Der Verkäufer lachte. Haha. 4,7 sei schon verdammt gut.

Hm. Ziel der Effizienz-Revolution ist aber doch Faktor 4, sagte ich. Das heißt: bei selber Leistung viermal weniger Energie zu verbrauchen. Passivhäuser können das, Kühlschränke können das. Drei statt sechs Litern seien gut, aber gerade mal Faktor 2.

Der Verkäufer nickte und sagte, ich müsse unbedingt auf die Autobahn rausfahren. Sonst könne ich ja nicht richtig Gas geben.

Abfahrt. Man fühlt sich wirklich wie ein guter Mensch in so einem Auto. Speziell, wenn man an der Ampel steht – und der Motor schaltet sich aus.

Aaah! Ich rette die Welt!

Geht man von der Bremse, schaltet der Karren sich wieder an. Hoppelt ein bisschen, macht aber nichts. Mir. Dem Verkäufer schon. Er rät, den ECO-Knopf ganz ausgeschaltet zu lassen. Dann ginge der Motor erst gar nicht aus. Außerdem dürfe man den ECO-Knopf eh nicht drücken, wenn die Klimaanlage laufe.

Klimaanlage? Die braucht doch Sprit wie Hölle, sagte ich.

Schweigen. Erst als ich die Größe des Kofferraums prüfte und das Wort „Kinderwagen“ murmelte, hatte der Verkäufer sich wieder gefasst.

„Warten Sie auf den Touran“, sagte er. Der Touran ist der neue Minivan von VW. Er zeigte mir den Prospekt. Wie Opel Zafira Erdgas, bloß teurer. Und ohne Erdgas. Geil.

Einen Monat später bleiben folgende Möglichkeiten:

1. Ein Touran? Trotz allem?

2. Ein Opel Zafira Erdgas? Das bringt Zuschüsse und Steuerbefreiung, und die Emissionen sind weniger schädlich. Der Zafira hat aber einen hohen Verbrauch (8 Liter) – und Erdgas ist auch endlich und muss aus Russland oder so angekarrt werden. Nicht zu vergessen: Das Image-Problem. Opel!

3. Ein Audi A 2 3 L (Wenn sich die Sache weiter hinzieht, hat sich das mit dem Kinderwagen auch irgendwann erledigt.)

4. Den alten Polo umrüsten auf Pflanzenöl. (Aber: Raps versauert natürlich den Boden!)

5. Wie ich soeben aus Familienkreisen hören muss, gibt es im Allgäu Leute, die nicht nur einen 3-Liter-A 2 fahren, sondern den auch noch auf Pflanzenöl umgerüstet haben. Das sei erst richtig „sexy“ bzw. die ökologische Moderne, teilt man mir mit. Erstens: Energieeinsparung. Zweitens: Öl vom Acker statt aus Saudi-Arabien!

Schreibe in mein Tagebuch: Was denn nun? Ich beschließe, den Energiepapst anzurufen: „Herr Scheer, was soll man für ein Auto kaufen?“

Nächste Folge: Was rät Hermann Scheer (SPD)? Was rät Jürgen Trittin (Die Grünen)? Was rät Rezzo Schlauch (Ferrari)?

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