Hände weg vom Abtreibungsgesetz

Polen hat eins der restriktivsten Gesetze über Schwangerschaftsabbrüche in Europa. Das Geschäft mit illegalen Abtreibungen boomt. Jetzt will sich die Regierung in Warschau diese strengen Vorschriften im Beitrittsvertrag zur EU garantieren lassen

aus Warschau GABRIELE LESSER

In Polen preisen Frauenärzte ihre Dienste offen in den Tageszeitungen an: „Schwierigkeiten mit dem Zyklus? Volle Diskretion! Narkose. Ratenzahlung“ oder „Sämtliche Eingriffe. Nachsorge garantiert“. Das Geschäft mit der illegalen Abtreibung boomt. Ein „Eingriff“ kostet zwischen 1.000 und 2.000 Zloty (250 bis 500 Euro). Bis zu 200.000 Frauen jährlich lassen in Polen illegal abtreiben, schätzt die „Föderation für Frauen und Familienplanung“.

Offiziellen Statistiken zufolge gibt es in Polen zwischen 100 und 300 Abbrüche im Jahr. Neben Irland und Malta hat Polen das restriktivste Abtreibungsgesetz Europas. Jetzt will sich die Regierung dieses Gesetz im EU-Beitrittsvertrag garantieren lassen. Proteste von Frauen gibt es kaum. Das Thema ist tabu, darüber redet man nicht, man zahlt.

Auch die, die Anspruch auf einen legalen Abbruch hätten. Den können Frauen in Polen nur dann vornehmen lassen, wenn Gefahr für Leben oder Gesundheit der künftigen Mutter droht, das Kind unheilbar krank oder nicht lebensfähig zur Welt käme oder wenn die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist.

In der Praxis erweist sich, dass es keine Krankheit gibt, die so schwer wäre, dass sie das Leben der Mutter oder des Kindes bedrohen würde – zumindest nicht in den staatlichen Kliniken, wo die Abtreibung mit einer eindeutigen Indikation kostenlos vorgenommen werden müsste. Psychische Erkrankungen werden nicht berücksichtigt. Und Notsituationen sind nicht vorgesehen.

Den verzweifelten Frauen bleibt also kein anderer Weg als der in die Privatpraxen und -kliniken. Dort haben diejenigen Ärzte, die am Morgen noch das „Gewissen“ plagte, kein Problem mehr mit dem Abbruch, der rund 200 Euro steuerfrei in die Kasse bringt. Zwar hatte das postkommunistische Bündnis der demokratischen Linken vor der Wahl versprochen, im Falle eines Sieges das Abtreibungsgesetz wieder zu liberalisieren. Nun – zwei Jahre später – will kein Politiker mehr davon hören. Die Beziehungen der gewandelten Sozialdemokraten zum Papst und zur katholischen Kirche waren selten so gut wie heute. Das will niemand aufs Spiel setzen.

Das Geschäft mit der illegalen Abtreibung blüht auch deshalb, weil die katholische Kirche sich erfolgreich gegen die Einführung der Sexualkunde an den Schulen gewehrt hat. Das Gesetz sieht zwar „Aufklärung und Prävention“ vor, doch zu mehr als einer Fortbildung für 3.000 Lehrer in „natürlicher Familienplanung“ und einer Broschüre, die die Knaus-Ogino-Methode vorstellt, hat das Geld nicht mehr gereicht. Zudem sind Ärzte nicht verpflichtet, Patientinnen über Verhütung zu beraten.

In einigen Verwaltungsbezirken gehört das Ausstellen eines Rezeptes für die Pille nicht einmal zum Grundservice der Krankenkassen-Ärzte. Viele Frauen können es sich aber nicht leisten, alle drei Monate für Rezept und Privatbesuch bei einem Gynäkologen 200 Zloty (50 Euro) auf den Tisch zu legen. Der Paragraph über Hilfen für in Not geratene junge Mütter ist toter Gesetzestext geblieben. Zwar gibt es einen „Fonds für den Schutz des Lebens“, doch er kann nur wenigen Frauen im Jahr helfen.

Auch die Kirche, die die Frauen mit ihren rigiden Sexualvorstellungen geradezu in Notsituationen hineintreibt, hilft später kaum weiter. Die Heime für „gefallene junge Mädchen“ werden eher gemieden, da die Frauen dort für „unerlaubten Sex“ an den Pranger gestellt werden. „Im Grunde haben die Abtreibungsgegner alles getan, um die Zahl der Abtreibungen noch zu erhöhen“, erklärt Wanda Nowicka, Direktorin der Föderation für Frauen und Familienplanung.