Ghana boomt im Schatten des Krieges

Aus der benachbarten Elfenbeinküste kommen Flüchtlinge und Geschäftsleute. Politisch hält sich die Regierung zurück

ACCRA taz ■ Ghana, die einstige Goldküste, gilt in Zeiten der Kriegswirren in der benachbarten Elfenbeinküste als neuer sicherer Hafen. Nicht nur Flüchtlinge aus der Elfenbeinküste suchen Schutz in dem anglophonen Land. Auch Geschäftsleute und Entwicklungshelfer harren hier der Dinge, wie es in der Elfenbeinküste weitergeht. Während Häuser und Villen in Abidjan immer billiger zu bekommen sind, boomt das Maklergeschäft in der ghanaischen Hauptstadt Accra. Autos mit ivorischen Nummernschildern zeugen von Migration auch der ivorischen Mittelklasse nach Ghana.

Das Land gilt bei Geschäftsleuten als immer bessere Alternative für Investitionen. Der Hafen von Tema bekommt zu seinem 50. Geburtstag Zusatzgeschäfte wegen Transportschwierigkeiten beim westlichen Nachbarn, wo der Krieg die Transportrouten aus Abidjan in den Norden der Elfenbeinküste und Nachbarländer wie Mali und Burkina Faso blockiert.

Aber nicht nur äußerliche Faktoren scheinen einen Beitrag zum positiven Bild der ghanaischen Wirtschaft zu leisten. Ghanas Erfolge sind auch hausgemacht. Das sagen sogar Oppositionsleute und Anhänger des vorherigen Staatschefs Jerry Rawlings, der Ende 2000 friedlich abgewählt wurde.

So ging die Auslandsverschuldung Ghanas im vergangenen Jahr um knapp 200 Millionen US-Dollar zurück, bei einer Gesamtschuld von rund 6 Milliarden US-Dollar. Das wertet die neue Regierung von Präsident John Agyekum Kufuor als Erfolg ihrer Wirtschaftspolitik. Umgehend nach seinem Sieg bei den Präsidentschaftswahlen vor zwei Jahren trat das westafrikanische Land der HIPC-Initiative der Weltbank für die Entschuldung der ärmsten Staaten (Heavily Indebted Poor Countries) bei.

Der neue Präsident versprach seinen knapp 20 Millionen Landsleuten einen Wandel zum Besseren, nachdem unter Rawlings die Armut zugenommen hatte, weil Ghana den Empfehlungen von IWF und Weltbank gefolgt war.

Aber vor allem einfache Leute wollen nicht so recht in den Lobgesang einstimmen. So wurden Erhöhungen der Löhne und Gehälter der Staatsbediensteten auf Eis gelegt. Die Regierung hat sich verpflichtet, das Personal in den Verwaltungen auf 60 Prozent des jetzigen Stands zu kürzen. Höhere Preise für Strom haben alle Ghanaer getroffen. Auch die Privatisierung des Wassersektors ist im vollen Gang – mit der Sicherheit, dass auch dieses Gut teurer wird.

Vor allem eine wirtschaftspolitische Entscheidung wird sich auf das tägliche Leben in Ghana auswirken: Die Treibstoffpreise wurden gerade noch einmal angehoben – um nahezu 100 Prozent. Gleich nach Regierungsantritt des neuen Präsidenten vor zwei Jahren waren die Preise für Benzin und Diesel bereits um knapp 70 Prozent gestiegen. Damals gab es tagelang Unruhen und Streiks.

Die wirre Lage im Nachbarland Elfenbeinküste könnte da Präsident Kufuor in den kommenden schwierigen Wochen nützlich sein. Die Ghanaer erleben in unmittelbarer Nähe, wie ein Land in Turbulenzen gerät und am Abgrund steht. Oft betonen Ghanaer, wie sehr friedfertig sie seien. Ein seit Monaten andauernder blutiger Konflikt zwischen Gemeinden und ihren traditionellen Führern im Norden des Landes bleibt die Ausnahme. Trotzdem hat Präsident Kufuor eine Wahrheits- und Versöhnungskommission einberufen – wie zur Zeit in vielen westafrikanischen Ländern. Militärmachthaber vergangener Herrschaftsjahre werden zur Rechenschaft gezogen. Darunter auch Jerry Rawlings, der sich 1984 als Fliegerleutnant an die Macht putschte und dann in den 90er-Jahren die Metamorphose zum gewählten Staatsoberhaupt vollzog. Unter Rawlings erster Herrschaft 1979 bis 1983 wurden drei vorherige Staatsoberhäupter und viele Funktionäre exekutiert.

Für die Lösung der Krise im Nachbarland legt die ghanaische Regierung aber kein außergewöhnliches Engagement an den Tag. Obwohl mehrere hunderttausend Ghanaer in der Elfenbeinküste leben, bewegen sich die ghanaischen Interessen im Rahmen der westafrikanischen Staatengemeinschaft und der Politik der Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft). Und das, obwohl wahrscheinlich mehrere hunderttausend Ghanaer in der Côte d’Ivoire leben. Ghana beteiligt sich an der im Aufbau begriffenen Ecowas-Friedenstruppe und lässt die Grenzen zum regierungskontrollierten Teil des Nachbarlandes offen. Das zeugt von der Unsicherheit gegenüber der Lage in der Elfenbeinküste: Ghana will um keinen Preis auf eine der verfeindeten Seiten gezogen werden. HAKEEM JIMO