Kampf um das eigene Image

Die Religionsgemeinschaft der Yeziden in Deutschland wendet sich gegen einseitige Presseberichte über Zwangsheiratenund Verfolgung yezidischer Mädchen. Absage an Gewalt. Mit strikten Heiratsregeln wolle sich Gemeinschaft schützen

von LUKAS WALLRAFF

Der drohende Krieg im Irak macht auch deutschen Polizeibeamten Sorgen. „Dann werden wieder tausende Flüchtlinge nach Deutschland strömen“, warnte der Polizeichef der niedersächsischen Kleinstadt Celle, Gerald Schomburg, kürzlich im Spiegel. „Darunter auch viele traditionelle Yeziden.“

Der Anlass für seine Befürchtungen: Nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker sollen noch „bis zu 300.000“ Angehörige dieser alten Religionsgemeinschaft im Irak leben. Ein Krieg, so befürchtet Schomburg offenbar, könnte die schon lange bestehenden Spannungen zwischen Muslimen und Yeziden neu aufflammen lassen und den Verfolgungsdruck erhöhen.

Im Moment leben 40.000 Yeziden in Deutschland. Die meisten von ihnen sind vor Jahren aus der Türkei geflohen, sie wurden als schutzberechtigt anerkannt und haben vor allem in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen ein neues Zuhause gefunden. Die mit 3.000 Angehörigen größte yezidische Gemeinde ist in Celle entstanden.

Warum deutsche Polizisten nun vor weiteren yezidischen Flüchtlingen warnen, erklärte der Leiter der Staatsschutzabteilung der Celler Polizei, Hans-Heinrich Müller-von der Ohe, der Nachrichtenagentur dpa. Mehrfach habe die Polizei yezidische Mädchen vor Zwangsheiraten und Verfolgung durch ihre eigenen Familienangehörigen in Sicherheit bringen müssen. „Es herrschen noch archaische Erziehungsmethoden“, so der Staatsschützer. „Die Mädchen werden von ihren Vätern und Brüdern verprügelt und eingesperrt.“ An Integration seien die Yeziden nicht interessiert.

Seit Anfang Januar häuften sich ähnliche Berichte in den deutschen Medien. Der Spiegel schilderte unter der Überschrift „Jagd auf Sükrüya“ einen Fall von Frauenverfolgung und berichtete: „Immer häufiger müssen Polizisten junge Frauen aus der Glaubensgemeinschaft der Yeziden vor ihren eigenen Verwandten schützen.“ Der Fernsehsender MDR kündigte einen Beitrag über die Yeziden im Internet mit noch dramatischer klingenden Worten an: „Wer die Gemeinschaft verlassen will, wird ermordet“, hieß es im Vorspann zu einem Film über „grausame Taten, die bislang nicht in die Öffentlichkeit gelangten“. Erst nach einer Strafanzeige wegen Volksverhetzung sei dieser Vorspann wieder entfernt worden, teilten die yezidischen Vereine in Deutschland daraufhin mit.

In einer gemeinsamen Erklärung setzten sich die yezidischen Vereine in Deutschland gegen die harten Vorwürfe zur Wehr: „Machart und Wortwahl der Berichte drängen den Verdacht einer gezielten Diffamierung auf. Einzelfälle werden benutzt, um die Yeziden unter Pauschalverdacht zu stellen.“ In der Erklärung heißt es: „Wir, die Unterzeichner, verurteilen Gewalt grundsätzlich und auch in Fällen, in denen sich yezidische Söhne oder Töchter mit andersgläubigen Partnern verbinden.“ Die yezidische Religion legitimiere Gewalt „in keiner Weise“.

Die Vorschrift, nur innerhalb der Gemeinschaft zu heiraten, sei „ein historisch entstandener Schutzmechanismus, der in der Verfolgungssituation den Zusammenhalt und die Solidarität stärkte“. Dass es Gewalt gibt, verschweigen die Yeziden nicht. Es gebe aber „keine religiöse Rechtfertigung, wenn – wie in Einzelfällen geschehen – Gewalt gegen Mädchen angewandt wird“.

Auf der Internet-Homepage www.yeziden.de versucht der Vorsitzende des Yezidischen Forums in Oldenburg, Telim Tolan, über seine Religion zu informieren und Vorurteile zu entkräften. Dass die strikten Heiratsregeln der Yeziden in Deutschland für Irritationen sorgen, ist ihm bewusst. „Gerade die weit fortgeschrittene Integration in Deutschland“ zeige aber „die Vereinbarkeit der Religion mit modernen Lebensweisen“.

Tolan will es nicht hinnehmen, dass in der öffentlichen Berichterstattung aus Verfolgten pauschal Verfolger werden. Für die Yeziden werde es so immer schwerer, für eine Anerkennung ihrer Glaubensgenossen aus Georgien als Flüchtlinge zu kämpfen. Als ein yezidischer Flüchtling aus Georgien Mitte Januar aus Angst vor seiner Abschiebung Selbstmord verübte, war dies nur wenigen Zeitungen eine Kurzmeldung wert.