Alles halal oder was?

Die Bremer Verbraucherzentrale präsentiert den ersten Einkaufsführer für Muslime. Nach den Regeln des Koran sind Spaghetti Miracoli, Dickmanns Schokoküsse, Rachengold und Köllnflocken erlaubt

taz ■ „Oh, ihr Menschen, esset von dem, was erlaubt (und) gut auf der Erde ist; und folget nicht den Fußstapfen Satans; wahrlich, er ist euch ein offenkundiger Feind“, mahnt der Koran. Da ist es klar wie Kloßbrühe, dass ein Besuch im deutschen Supermarkt Muslimen häufig Kopfzerbrechen bereitet: Ist in der Gelatine in der Marmelade irgendwie Schwein drin? In den Pralinen etwa Alkohol? Oder: Ist das Lamm nach islamischem Ritus geschächtet worden?

Zum Gück denkt die Bremer Verbraucherzentrale (VZ) an die gut drei Millionen Muslime in Deutschland, von denen schätzungsweise 40 Prozent „halal“, das heißt laut Koran erlaubte Lebensmittel, essen und kaufen wollen.

Die Verbraucherzentrale hat 390 Hersteller angeschrieben, 110 haben reagiert. 80 nannten Produkte, die nach ihrer eigenen Einschätzung für Muslime geeignet sind.

Auf 33 Seiten listet der gestern präsentierte „Einkaufsführer für Muslime“, der erste seiner Art in Deutschland, 19 Produktgruppen auf. Darunter Molkereierzeugnisse, Back- und Süßwaren, Fette, Öle sowie Fertiggerichte, Babynahrung und Brotaufstriche. Alles von Spaghetti Miracoli bis Dickmanns Schokoküsse, von Rachengold bis Köllnflocken. Als einziger Hersteller verwendet die Cornflakes-Riese Kellogs sogar ein „Halal“-Label klein aufgedruckt auf den Packungen, direkt neben einer stilisierten Synagoge, die dafür steht, dass Frosties koscher sein sollen.

Erst mit 17 Jahren hat Mehmet Kilinc, der Übersetzer der Broschüre, sein erstes Gummibärchen gegessen. „Das war aus der Türkei importiert“, meint Kilinc. Deutsche Gummibärchen sind häufig „haram“, sprich verboten, weil in der darin verwendeten Gelatine Fleisch verarbeitet wurde, das natürlich nicht von Tieren kam, die nach islamischem Ritus geschächtet worden waren.

„Alles, was von Gott geschaffen worden ist, ist uns verboten zu töten“, erklärt Kilinc. Deshalb hole sich der Metzger bei der Schächtung jedes Mal erneut die Erlaubnis Allahs. Oft ist der „Hassan Normalverbraucher“ Kilinc schon „schief“ beim Shoppen angeguckt worden, weil er die Produkte so penibel unter die Lupe genommen hatte.

„Für orthodoxe Muslime ist Einkaufen problematisch“, sagt Kilinc. „Gerade Kindern ist es schwer zu vermitteln, dass in vielen Sorten Schokolade Tiere sind“, meint auch Abdulkerim Sari von der Islamischen Föderation. Da gibt die Positivliste in der Broschüre bei einigen Sorten Entwarnung. Beispiele: Ritter Sport, Kitkat, Ferrero Küßchen oder Kinder Pingui. Also: Auch für Veganer ist das Heftchen aufschlussreich.

Ein kleines Manko gibt es allerdings doch. Kilinc würde sich wünschen, dass bei der Neuauflage auch Aldi oder Lidl angeschrieben werden. „Da kaufe ich nämlich gerne ein.“

Auch die Bremer Ausländerbeauftragte Dagmar Lill war voll des Lobes über das Bremer „Pilotprojekt“: Sie sehe die Broschüre „im Zeichen „des islampolitischen Diskurses in Bremen“ und will demnächst ihre Kollegen in den anderen Bundesländern über das Integrationsprojekt informieren. Und: „Ich habe gelernt, dass es kaum eine Marzipansorte gibt, in der kein Alkohol ist.“

Kai Schöneberg

Die Broschüre gibt es umsonst bei der VZ im Altenweg 4, 28195 Bremen. Oder gegen Einsendung einer Briefmarke im Wert von 1,44 Euro. Im Netz: http://www.eat-halal.com/german/halal.shtml