Alles, was Stadt-Kultur hervorbringt

Bremens Hardware und Software: Das neugegründete „Architop - Institut für Architektur, Kunst und städtische Kultur“ versteht sich nicht nur als Forschungsgelände. Drei Professoren und ihre Mitarbeiter klären auf über die gebaute und gefühlte Stadt

taz: Liegt der Schwerpunkt des Institutes auf Architektur oder auf Stadtentwicklung?

Uwe Süchting: Ohne Architektur keine Stadtentwicklung. Es geht um den Zusammenhang. Schwerpunkte ergeben sich aus unseren unterschiedlichen Arbeitsbereichen in den Institutionen. Das ist einmal der Bereich der Kunst- und Kulturwissenschaften an der Universität. An der HfK sind es Design und Fotografie, die sich mit dem Thema Stadt beschäftigen. Und an der Hochschule Bremen sind es konkrete Bauplanungen als Elemente der Stadtentwicklung.

Ist die postmoderne Event-Kultur, in Bremen also das Projekt Space Park, etwas, womit sich das Institut konstruktiv auseinandersetzen wird?

Michael Müller: Das Institut beschäftigt sich mit allem, was im weitesten Sinne städtische Kultur hervorbringt. Dazu zählen Ergebnisse elaborierter Baukunst ebenso wie popular- und massenkulturelle Phänomene der Verräumlichung und Symbolisierung. Wir werden uns deshalb auch nicht nur mit der Hardware sondern auch mit der Software beschäftigen; also mit der Art und Weise, wie die Stadt gebaut und umgebaut wird, und mit der Frage, wie Architektur und Stadt wahrgenommen werden und welche (Raum-)Bilder dabei in den Köpfen der Menschen entstehen.

Das Institut führt die Bereiche Architektur, Kunst und Kultur im Namen. Ist nicht eine andere Disziplin stadtprägend: die Ökonomie? Warum ist sie nicht mit im Boot?

Michael Müller: Wenn wir heute von der „Kulturalisierung der Ökonomie“ und der „Ökonomisierung der Kultur“ im Sinne einer Grenzverwischung sprechen, dann werden wir erst recht nicht die ästhetischen und kulturellen Phänomene und Problemlagen der Stadt ohne Kenntnisse des Ökonomischen angehen können.

Uwe Süchting: Das Institut ist grundsätzlich offen für Kolleginnen und Kollegen aus anderen Disziplinen. Wer mitarbeitet, hängt auch von den Themen ab, mit denen wir uns beschäftigen.

Nehmen wir das Thema Stadthalle: Man hat den Eindruck, es gibt auf der einen Seite die, die aus der Kulturecke für den Erhalt des architektonischen Meisterstücks plädieren und die anderen, die nur Zahlen im Kopf haben und sich für den Umbau stark gemacht haben.

Müller: Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig zukünftig unser Institut sein könnte. Wir haben es nicht gegründet, um ausschließlich Forschung zu betreiben. Wir wollen uns einmischen. Und dazu gehört, dass wir zu einem Diskussionsklima in Bremen beitragen, damit solche Dinge, wie sie mit der Stadthalle gerade passieren, in einer dem jeweiligen Anlass angemessenen Weise diskutiert werden und sich nicht nur Meinungen gegenüberstehen.

Stichwort Diskussionen in der Stadt, Leben in der Stadt: Es häufen sich ja die Abgesänge auf die europäische Stadt als geistiges oder ökonomisches Zentrum. Ist das Institut so ein Art Gedenkstätte für die alte Stadt, in der sich vernünftige Bürgerinnen und Bürger miteinander austauschen?

Müller: Unvernünftig wäre ein vernünftiger Austausch ja nun wirklich nicht. Und die Stadt ist dafür sicherlich auch nicht der schlechteste Ort. Welchen Namen wir ihr dabei geben, ist zunächst einmal egal. Dabei dürfte aber doch eines klar sein: Unsere Städte haben gegenüber den 60er und 70er Jahren, und gerade auch die Innenstädte, deutlich an Attraktivität gewonnen. Natürlich ist nicht zu übersehen, dass das mit ihrer gesteigerten Kommerzialisierung zusammenhängt und Stadträume als Erlebnisräume konsumiert werden. Das Städtische ist inzwischen ja selber zu einem Markenartikel geworden. Denken wir nur an die „AutoStadt“ in Wolfsburg! Andererseits sollten wir zur Kenntnis nehmen, dass im Bewußtsein der Bewohner die Stadt – trotz all der Leichenreden auf den Tod der Stadt – nach wie vor als Bild von einem Ort lebendig ist, der eine Mitte mit Rathaus, Marktplatz und Kirche aufweist. Ist das jetzt nur der Ausdruck süßlicher Nostalgie? Oder steckt darin mehr im Sinne eines Bildes jenseits des Kommerziellen? Das und vieles andere sind für uns zunächst offene Fragen, auch wenn wir dazu dezidierte Auffassungen haben.

Sie kennen die aktuelle Debatte darum, ob man Einwohner hält, indem man Einfamilienhäuser plant, oder ob man sich auf ein urbanes „Publikum“ in der Stadt beschränkt. In welcher Weise wird sich das Institut dieser Frage widmen?

Kirschenmann: Bremen hat eine Funktion, die über die Grenzen der Stadt hinausreicht. Eine andere Diskussion ist, ob es sinnvoll erscheint, den Stadtstaat zu erhalten. Auch die Bewohner des Speckgürtels sind Teil des urbanen Publikums in der Stadt. Wir werden uns sicherlich der Veränderung der Altersstruktur in der Großstadt widmen. Zum Beispiel sind alternative Wohnformen für diese Lebensphase zu entwickeln, zentral gelegene Wohnformen für selbständige ältere Menschen, die die Stadt mit ihrem Angebot auch nutzen. Das wäre übrigens ein wertvolles Projekt zum Thema Kulturhauptstadt.

Müller: Wir haben es bei den Themen Stadt und Architektur doch mit einem Feld zu tun, das tagtäglich jeden betrifft. So fällt es auch schwer zu sagen, nur die Fachleute verfügten über Kenntnisse. Allerdings hat die All-tagspraxis, die uns alle zu Kennern der Materie macht, auch ihre Schattenseiten: wir werden den für uns selbstverständlich gewordenen Dingen gegenüber irgendwann gleichgültig und nehmen sie nicht mehr aufmerksam genug wahr. Die Absicht unserer Arbeit wird daher nicht nur sein, dass anders gebaut und geplant wird. Gemeinsam mit Menschen in der Stadt Bremen ist es auch eine Arbeit am Bewußtsein über diese Stadt. Aus diesem Grund wollen wir diese Zusammenhänge z.B. auch in den Schulen thematisieren. Alles in allem also ein gutes Stück Aufklärung über das, was Stadt ist und wie sich darin das, was wir Kultur nennen – und die ist nun einmal städtisch – konstituiert. Interview: Elke Heyduck