Grüne üben Streitkultur

Wegen der Genehmigung des Kohlekraftwerks Moorburg debattiert die GAL am Donnerstag über ihr Ausscheiden aus dem schwarz-grünen Bündnis. Mehrheit für Koalition gilt als wahrscheinlich

Das Kohlekraftwerk von Vattenfall soll eine elektrische Leistung von 1.654 Megawatt und 650 Megawatt Fernwärme haben. Auflagen sehen vor, dass der Betrieb des Meilers voraussichtlich an durchschnittlich 250 Tagen im Jahr gedrosselt werden muss. Vattenfall wertet derzeit die 746 Seiten starken Genehmigungsunterlagen für das mehr als zwei Milliarden Euro teure Projekt aus, juristische Schritte sind möglich.  TAZ

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Am Donnerstagabend kommt es zum Schwur. Die GAL entscheidet auf einer Mitgliederversammlung im Bürgerhaus Wilhelmsburg über den Fortbestand der schwarz-grünen Koalition in Hamburg. Erwartet wird allenthalben eine lange und kontroverse Debatte – mit ungewissem Ausgang. Auf dem Tisch liegen bislang zwei Anträge, das Bündnis mit der CDU zu beenden, sowie ein Antrag des Landesvorstandes, in der Koalition zu bleiben.

Zu der Versammlung werden rund 400 der knapp 1.300 Parteimitglieder erwartet. Beobachter gehen bislang davon aus, dass sich die Basis mehrheitlich für einen Verbleib der Grünen in der erst rund fünf Monate alten Koalition aussprechen wird. Die Prognosen schwanken zwischen 60 und 80 Prozent Ja-Stimmen.

Grund für den innergrünen Konflikt ist die Genehmigung für das umstrittene Steinkohlekraftwerk Moorburg, die Umweltsenatorin Anja Hajduk (GAL) am Dienstag voriger Woche erteilt hat. Damit wurde eines der zentralen Versprechen der GAL aus dem Wahlkampf nicht erfüllt – oder sogar „gebrochen“, wie die Kritiker finden.

Die Spitzenkandidatin und jetzige Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch hatte sich noch zwei Wochen vor der Wahl auf die Aussage festgelegt: „Mit uns wird keine Erlaubnis für das Kraftwerk erteilt werden.“ Und Hajduk, damals Parteivorsitzende, erklärte noch am 6. März zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union: „Die CDU weiß, dass wir das Kraftwerk nicht akzeptieren.“ Nun hat sie selbst das größte Steinkohlekraftwerk Deutschlands genehmigt, wenn auch mit hohen Umweltauflagen zum Schutz der Elbe (siehe Kasten).

Die beiden Anträge aus den Kreisen Altona und Nord fordern nun die sofortige Beendigung des schwarz-grünen Bündnisses. In dem von drei Mitgliedern unterzeichneten Altonaer Antrag heißt es, Hajduk habe mit der Genehmigung des Kraftwerks „eines der zentralen grünen Wahlversprechen gebrochen“. Die GAL entschuldige sich ausdrücklich bei ihren WählerInnen dafür, „die Möglichkeiten zur Verhinderung des Kraftwerks nicht richtig eingeschätzt zu haben“. Deshalb sei der Koalitionsvertrag mit der CDU zu kündigen.

Der Antrag eines einzelnen GALiers aus dem Kreis Nord geht noch weiter: Die für Schwarz-Grün verantwortlichen Personen sollten ihrer Ämter enthoben werden, in erster Linie Goetsch und Hajduk sowie Justizsenator Till Steffen, Fraktionschef Jens Kerstan und die weiteren Mitglieder der damaligen Verhandlungskommission. Ziel solle ein Bündnis mit SPD und Linkspartei sein, andernfalls solle man die CDU „alleine, also gegen parlamentarische Mehrheiten, regieren lassen“.

Einen Leitantrag zum Verbleib im Regierungsbündnis wird der Landesvorstand einbringen. Das hatte Parteichefin Katharina Fegebank bereits in der vorigen Woche angekündigt. „Wir als Landesvorstand werden dafür werben, in der Koalition zu bleiben und hoffen auch, dass uns die Mitglieder und die Basis folgen werden“, sagte sie.

Neben ihr haben sich auch die Kreisverbände Mitte und Bergedorf für Schwarz-Grün ausgesprochen. „Wir Grüne müssen dennoch selbstkritisch einräumen, dass wir die Ausgangslage der Genehmigung für das Kohlekraftwerk zu optimistisch eingeschätzt haben“, heißt es im einstimmigen Beschluss des Kreisvorstands Mitte.

Und die Bergedorfer GALier führen nach einer Erklärung vom gestrigen Dienstag „Gründe pragmatischer Art“ an: Erstens habe es „keinen Täuschungsversuch seitens der für die Genehmigung Verantwortlichen“ gegeben. Und zweitens würde ein Ende der Koalition „dem Klimaschutz auch nicht helfen“.