Mein lieber Schwan

Wagners Oper „Lohengrin“ feiert morgen am Richtweg Premiere. Gespräch mit dem Dramaturgen Norbert Klein

Überschattet von der ungeklärten Intendantenfrage feiert morgen eine der aufwändigsten Produktionen im Bremer Theater Premiere: Richard Wagners fabulöse Mittelalter-Oper „Lohengrin“. Operndramaturg Norbert Klein erläuterte gegenüber der taz Ansatz und Anspruch der Aufführung.

taz: Herr Klein, für was steht so eine Märchen-Story, die erst auf den zweiten Blick ihre politischen Implikationen preisgibt?

Norbert Klein: Wenn es nur ein Märchen wäre, könnten wir es nicht erzählen. Wagners Stücke haben immer Bezug zur Wirklichkeit. Peter Konwitschny hat „Lohengrin“ in Hamburg auf die wilhelminische Ära bezogen, wir holen es in die Gegenwart. Es geht um erhoffte Erlösung, weil sie ja nicht eintritt. Lohengrin geht bewusst einen anderen Weg, das wird Pilavachi zeigen.

Wagner hat sich vom Revolutionär zur Symbolfigur der gründerzeitlichen Kulturindustrie entwickelt. Ist „Lohengrin“ das erste Werk in dieser neuen Richtung?

Auf jeden Fall. Aber vor allem musikalisch. Wagner findet hier zur Leitmotivik, bricht die geschlossene Form der Arie auf zu seinem neuen deklamatorischen Gesangsstil. Aber ich deute den Weg etwas anders: Wagner geht eher in die Resignation als in die Restauration, das Revolutionäre hat ja keinen Sinn mehr. Das spürte er doch.

Der Druck auf Elsa: Ist es nicht eine ziemlich heftige Fremdbestimmung der Frau?

Das ist zu einfach. Sie lässt sich ja zunächst darauf ein: Du hast mich da rausgeholt. Ich finde das Verhalten Lohengrins, ihr diese Bedingung zu stellen, keineswegs machomäßig, wie so oft gesagt wird.

Und welche Beziehung hat Telramund zu Elsa?

Getrieben von seiner Frau Ortrud, die fast eine Lady Macbeth ist, will er an die Macht. Das kann er nur, wenn Elsa verschwindet.

Was ist eigentlich Lohengrins Geheimnis?

Er ist das von Menschen erträumte Bild eines Heilsbringers oder Revolutionärs, der die Welt letztlich nicht verändert. Denn mit dem, was er will, kann man die Welt nicht ändern.

Wäre Wagner selbst Lohengrin?

Wagner sieht in ihm die Künstlerfigur, die sich einmischen will. Er ist sicher eine Projektionsfigur: die Menschen wollen den Führer. Den haben sie dann in dem aus dem Nichts auftauchenden, aus dem Schwan rückverwandelten Gottfried. So hat sich ja Adolf Hitler gesehen. Damit will Lohengrin nichts zu tun haben, der Künstler verabschiedet sich aus dem politischen Geschäft.

Ist denn angesichts von Wagners Missbrauch durch die Nazis ein unbefangener Umgang mit seinem Werk möglich?

Ach, da muss man auch manches mal wieder leichter sehen. Jörg Bieler hat in seinem Stuttgarter ,,Siegfried“ gezeigt, dass man einfach klare Geschichten von Menschen untereinander erzählen kann. Es geht nicht, dass man immer die ganze schlechte Rezeption mitschleppt. Interview: Ute Schalz-Laurenze