Lust und Last des Oberzentrums

Alle Umfragen sagen: Wenn am 4. März in Niedersachsen der neue Ministerpräsidenten gewählt wird, heißt der Christian Wulff. Was sagt der Noch-Kandidat von der CDU zur Kooperation mit Bremen und zum drohenden Krieg gegen den Irak?

taz: Der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble hat kürzlich erklärt, dass er die finanzschwachen norddeutschen Bundesländer so nicht für zukunftsfähig hält. Das ist eine verbreitete Auffassung in der CDU. Wie würden Sie als Ministerpräsident die Frage diskutieren?

Christian Wulff: Da meine Frau aus Bremen kommt, weiß ich, dass bremisch-niedersächsische Bündnisse außerordentlich erfolgreich verlaufen können. Im Ernst: Es geht nicht ohne Freiwilligkeit auf beiden Seiten. Das niedersächsische und bremische Selbstbewusstsein spricht in jeder Hinsicht für zwei eigenständige Bundesländer, die aber eng kooperieren – wie jetzt bei der Frage des Tiefwasserhafens. Für uns in Weser-Ems ist Bremen ein sehr gut entwickeltes Oberzentrum. Den Kraftakt einer Diskussion der Länderneugliederung sollte man sich sparen.

Es geht ja weniger um Freiwilligkeit als um Finanznot. Wenn die süddeutschen Länder nicht mehr Transfer-Leistungen spendieren wollen ...

Der Länderfinanzausgleich ist für Jahre fest vereinbart. Und außerdem: Wenn man zwei Kranke zusammen legt, hat man noch keinen Gesunden.

Der andere Kranke ist Niedersachsen?

Ja.

Deswegen hat Schäuble eher an einen gesunden Nordstaat gedacht.

Ich glaube, dass das eine theoretische Diskussion ist.

Wie soll sich Bremen aus dem Sumpf ziehen?

Das ist eine Angelegenheit des Bremer Senats. Da mischt man sich als Nachbar nicht gern ein.

Im Bremer Rathaus ist einmal ein Konzept geschrieben worden, nach dem sich Niedersachsen mit Geld einmischen sollte. Bremen gibt für jede Theaterkarte hundert Euro dazu, auch für die Besucher aus Niedersachsen. Da sollte Hannover Zuschüsse zahlen, war die Idee.

Es gibt ein paar Bereiche, da könnte Niedersachsen fairer agieren, etwa beim Privatschulgeld. In diesem Fall hat das Land sehr kleinkariert Verträge gekündigt. Aber insgesamt gilt, dass die „Lust“ des Oberzentrums mit der „Last“ zusammenhängt. Wenn wir ins Musical in Bremen gehen, dann sind da die Arbeitsplätze und die Gewerbesteuer-Einnahmen. Die Bremer sollten sich freuen über die niedersächsischen Besucher, mancher Theaterplatz bliebe sonst unbesetzt.

Es könnte sein, dass am 4. März Krieg ist. Nimmt Ihnen das die Vorfreude auf den Tag, an dem der Ministerpräsident neu gewählt wird?

Ich rechne nicht mit Krieg, sondern glaube, dass der diplomatische Druck und die Arbeit der Inspekteure einen Krieg abwenden können. Darf sich Deutschland in der Außenpolitik so viel Spielraum für eine eigenständige Position gegenüber den USA herausnehmen wie Schröder und Fischer es in dieser Frage tun?

Man kann das machen. Die Frage ist, ob es klug ist. Für den Frieden braucht man Partner. Ich halte es nicht für klug, dass man Inspekteure ins Land schickt und dann vor endgültiger Rechnungslegung der Inspekteure Erklärungen abgibt. Das erleichtert die Aufgabe der Inspekteure nicht, sondern macht sie eher schwierig.

Der Grundüberzeugung der Bundesregierung, dass Deutschland sich an einem solchen Krieg nicht direkt beteiligen sollte, widersprechen Sie nicht?

Um eine deutsche Beteiligung geht es gar nicht. Niemand plant deutsche Soldaten im Irak, das ist undenkbar. Es geht um eine Beteiligung, die Schröder und Fischer längst praktizieren – in Form von Fuchs-Panzern in Kuwait, deutschen Soldaten in AWACS-Flugzeugen, Schutz amerikanischer Einrichtungen, Überflugsrechten. Da, wo es um deutsche Beteiligung geht, ist Rot-Grün bereits weiter gegangen als die Regierung ohne Parlamentsbeschluss gehen dürfte.

Fragen: Klaus Wolschner