Das Parkett füllt sich langsam

Auch die Pankower Kreischefin und Exabgeordnete Almuth Tharan kandidiert für den Grünen-Landesvorsitz. Speer-Tochter Hilde Schramm will Sonntag über eine Bewerbung entscheiden. Männerduell Heyer-Stuffer contra Birk ist noch offen

von STEFAN ALBERTI

Auf einer leeren Tanzfläche braucht es einen Eintänzer, um andere aufs Parkett zu holen. Nicht anders scheint es bei den Bewerbungen für die Grünen-Parteispitze: Nachdem vergangene Woche nach monatelanger Flaute die erste Frauenkandidatur vorlag, dauerte es nur wenige Tage, bis gestern die zweite folgte: Nach der weithin unbekannten Barbara Fenski (42) will auch die Pankower Kreischefin und Exabgeordnete Almuth Tharan (39) aus Pankow in die Doppelspitze des Landesverbands. Sie gilt als politisch deutlich gewichtiger als Fenski. Für den zweiten Posten in der Doppelspitze kandidieren weiter der derzeitige Chef Till Heyer-Stuffer (42) und Thomas Birk (41).

Der nach erneutem Zuwachs fast 3.500 Mitglieder starke Grünen-Landesverband wählt seinen Vorstand am 22. Februar neu. Die bisherige Vorsitzende Regina Michalik hatte bereits im November angekündigt, nicht wieder anzutreten. Sie hielt es gestern für „sehr wahrscheinlich“, dass noch eine weitere Frau kandidiert. „Ich bin gefragt worden“, bestätigte Hilde Schramm (66) der taz, unter anderem von Fraktionschefin Sibyll Klotz. Sonntag will sie über eine Kandidatur entscheiden. Schramm ist die Tochter von Nazi-Architekt Albert Speer, war Ende der 80er Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses und leitete bis 1999 sechs Jahre in Potsdam die Regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen, Schule und Arbeit.

„Wir sind dadurch in der außergewöhnlichen Lage, dass die Partei auswählen kann“, kommentierte Michalik die veränderte Bewerbungslage. Sowohl sie als auch ihr Ko-Vorsitzender Heyer-Stuffer waren ohne Gegenkandidaten gewählt worden. Noch vor einer Woche hatte Almut Tharan eine Bewerbung zwar nicht ausdrücklich ausgeschlossen, aber aus beruflichen Gründen als unwahrscheinlich dargestellt. Der Vorsitz gilt als Vollzeitjob. Die studierte Dolmetscherin Tharan war 2001 nach zwei Jahren aus dem Abgeordnetenhaus ausgeschieden und leitet seit Herbst das Grünen-nahe Bildungswerk für alternative Kommunalpolitik.

„Ich hatte mich eigentlich für ein Leben jenseits der Tagespolitik entschieden“, sagte Tharan. Nach nochmaliger Überlegung aber glaube sie, „für den Landesverband noch einiges bewegen zu können“. Als Parteichefin will sie der Umweltpolitik eine größere Rolle zukommen lassen.

Tharan wehrt sich dagegen, ihren Bezirk als Synonym für das Bundestagsmitglied Werner Schulz betrachten zu lassen. „Wir sind nicht der Kreisverband Werner Schulz, sondern der Kreisverband Pankow“, reagiert sie hörbar genervt auf eine solche Gleichsetzung. Beim Bundesparteitag sei vom Schulz-Antrag die Rede gewesen – „dabei hatte er keinen Antrag geschrieben, das machen wir immer selber“.

So ist es für sie auch kein Selbstläufer, dass die Pankower Grünen für den zweiten Posten in der Doppelspitze den bisherigen Chef Heyer-Stuffer unterstützen. Gegenkandidat Birk hatte seine Kandidatur mit herber Kritik an Schulz begleitet, der offenbar von seinen gescheiterten Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz vergrätzt sei. Bei beiden Kandidaten gebe es Knackpunkte, sagte Tharan. Ihren Kreisverband – mit über 400 Mitgliedern der größte Ostdeutschlands – will sie ausdrücklich aus den Flügeln „links“ und „realo“ heraushalten, „die es meines Erachtens auch nicht mehr gibt“.

Heyer-Stuffer und Birk stellten sich am Mittwochabend den Sprechern der fachpolitischen Arbeitskreise vor, bei den Grünen Bereiche genannt. Der Organisator des Treffens, Uwe Höft, nannte Birk anschließend eine „sehr ernsthafte Herausforderung für Heyer-Stuffer“. Auch Barbara Fenski stellte sich dort vor. Ihre Qualität habe ihn überrascht, sagte Höft. „Wenn aber ein politisches Schwergewicht antritt, wird sie wohl nur noch Chancen einer Außenseiterin haben“, sagte Höft, bevor Tharans Kandidatur bekannt wurde.

Der Charlottenburger Birk hatte zwar zum Auftakt seiner Vorstellungstour bei den Grünen in Steglitz-Zehlendorf einen schwächeren Eindruck hinterlassen. Er kann aber anders als Heyer-Stuffer auf eine Hausmacht setzen. „Ich gehe davon aus, das Charlottenburg-Wilmersdorf ihn voll unterstützt“, sagte die dortige Bundestagsabgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig der taz.

Bei Heyer-Stuffer, in Friedrichshain-Kreuzberg zu Hause, sieht das anders aus. Dort wirft ihm Vorstandsmitglied und Ströbele-Mitarbeiter Dietmar Lingemann vor, die Bezirksgruppe im Wahlkampf enttäuscht zu haben. Birk hingegen sei zwar ein fähiger Organisator, „führt sich aber als Oberrealo auf“ – was in Kreuzberg weitgehend gleich nach dem Beelzebub kommt. Lingemanns Ausweg: „Ich könnte mir ein Weder-noch vorstellen – und dass wir für eine weibliche Doppelspitze votieren.“