Raus mit den Ellenbogen!

Jetzt kämpft Peter Strieder. Aber nach einer Woche voller Niederlagen ist der ehemalige Supersenator auch im Abgeordnetenhaus der Buhmann. Wie lange bleibt er Landesvorsitzender?

von ROBIN ALEXANDER

Wenn es eng wird, zieht Peter Strieder die Samthandschuhe aus: „Bündnis 90/Die Grünen haben romantische Vorstellungen, aber kein Konzept. Kein Wunder: Im sozialen Wohnungsbau wohnen weder sie noch ihre Wähler!“, schimpfte der Bausenator gestern im Abgeordnetenhaus. Eine ziemlich kühne Behauptung über eine Partei, die vor wenigen Monaten im sozial schwachen Friedrichshain-Kreuzberg ein Direktmandat gewann. Da schluckte selbst mancher aus der SPD-Fraktion.

Aber Strieder war richtig in Fahrt und kanzelte gleich das ganze Parlament ab: „Mangelndes Geschichtsbewusstsein mag in diesem Hause schick sein, man muss es aber nicht so deutlich vor sich hertragen.“ Wen der langjährige Supersenator damit genau rügte, war nicht klar: Schließlich hatten Redner aller Fraktionen vorher das Westberliner System der Förderung des sozialen Wohnungsbaus seit den 70er Jahren als „Filz“, „Wahnsinn“ oder „System von Verrückten“ kritisiert. Als Schuldige wurden der frühere CDU-Pate Klaus-Rüdiger Landowsky und Klaus Riebschläger (SPD) genannt, der als Bausenator 1972 die teuere Investorenförderung etablierte. Landowsky und Riebschläger sitzen längst nicht mehr in Senat oder Abgeordnetenhaus. Strieder schon. Und seine Gegner lassen auch an diesem Tag keine Chance ungenutzt, den unbeliebten Supersenator anzugehen.

Alte Feinde bekommen jetzt Oberwasser

Da ist zum Beispiel Hans-Georg Lorenz, Wortführer des SPD-linken „Donnerstagskreises“, der schon seit Jahren gegen Strieder mobbt, wo er kann. Neu ist: Lorenz meint, er hat Oberwasser. Während der Plenarsitzung verteilt der SPD-Linke in den Reihen der CDU einen „Offenen Brief“. In dem steht, Strieders Argumentation zur Anschlussförderung sei „abwegig“, die Forderung, Fonds weiterzufördern, gar „widerwärtig“. Wenig später bespricht sich Lorenz mit Annette Fugmann-Heesing im Kasino des Landtages. Die ehemalige Finanzsenatorin, von Strieder einst abgesägt, setzt den nächsten Hieb – und bindet dabei sogar die CDU ein. Ganz unschuldig erinnert sie am Rednerpult an „meine vergeblichen Gespräche mit Bausenator Kleemann“ (CDU) über einen Ausstieg aus der Förderung. Damit gibt Fugmann-Heesing ihrem Nachfolger Peter Kurth (CDU) die Gelegenheit, ihr elegant Recht zu geben, aber im gleichen Wortlaut an „meine vergeblichen Gespräche mit Bausenator Strieder“ zu erinnern. Der Saal biegt sich vor Lachen. Strieder knöpft sich unmittelbar anschließend Fugmann-Heesing und Kurth persönlich vor.

Strieder, der lange als immun gegen Kritik galt, ist dünnhäutig geworden. Kein Wunder: Seine Macht bröckelt. Der Super-Senator für Stadtentwicklung, Umwelt, Bau, Verkehr mischt in jedem Feld der Berliner Politik mit – und holte sich in der letzten Woche eine Niederlage nach der anderen ab. Sein Konzept eines „weichen“ Ausstiegs aus der Anschlussförderung verwarf die SPD-Fraktion am Wochenende. Auch bei der Fahrpreiserhöhung der BVG war Strieder bei seiner Meinung geblieben – und in der Minorität.

Sogar im SPD-Landesvorstand, dem Gremium, das Strieder als Parteivorsitzender unmittelbar führt, gibt es jetzt Kritik. Auf der Sitzung am Montag beschwerten sich Teilnehmer, die Partei sei in Sachen Anschlussförderung „überfahren“ worden. Der konkrete Vorwurf: Strieder hätte für eine gemeinsame Entscheidung von Fraktion und Parteiführung sorgen müssen, wie es etwa vor der Risikoabschirmung für die Bankgesellschaft geschah. Aber die Fraktion entschied am Wochenende allein und „dem Landesvorstand bleibt nichts übrig als einfach zu folgen“.

Die nächste Niederlage holte sich Strieder am Dienstag: Der Senat beschloss den Verkauf des Tempodroms. Das futuristische Bauwerk am Anhalter Bahnhof gilt als Strieder-Projekt. Am Abend kam es noch schlimmer: In der SPD-Fraktionssitzung musste ein völlig konsternierter Strieder mitansehen, wie Fraktionschef Michael Müller die 900.000 Euro, die der Senat als letzten Zusschuss fürs Tempodrom vorgesehen hatte, zur Disposition stellte. Die Abgeordneten klopften zustimmend auf die Tische, Strieder guckte konsterniert. Der Regierende Bürgermeister war von Müller über seinen Vorstoss vorab informiert worden. Strieder nicht. Die Sozialdemokraten werden aller Vorraussicht nach im Hauptausschusses gegen den Zuschuss stimmen. Damit droht dem Tempodrom die Insolvenz.

Gestern im Abgeordnetenhaus musste Strieder wieder Gerüchte dementieren, er plane eine Karriere in der Wirtschaft. Er formuliert seine Dementis als Scherze, deutlich aber klingt die Genervtheit durch. Klar ist: Wowereit würde ihn nicht bei einem mit Berlin verbandelten Unternehmen dulden. In der SPD spotten einige: „Der Peter plant den Absprung aus Berlin, der fällt schon sprachlich immer öfter ins Fränkische zurück“.

Den Modernisierer gibt Sarrazin statt Strieder

Tatsächlich funkt Strieder seit gut einem Jahr politisch ins Leere. Seine Vorschläge für eine professionalisierende Parteireform ließ die SPD nur widerwillig über sich ergehen. Sein Lieblingsprojekt, die „Metropolenthesen“, spielen in der öffentliche Debatte keine Rolle.

Klaus Wowereit brauchte Strieder bisher als Dompteur einer unberechenbaren Parteibasis, kann sich aber auf die Loyalität Michael Müllers stärker verlassen. Auch die Senatspolitik läuft immer öfter an Strieder vorbei. Den Part des entschlossenen Modernisierers spielt Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) – mit wohlwollender Duldung Wowereits. Gestern beriet Sarrazin in einer „Ministerrunde“ die Öffnungsklausel für den öffentlichen Dienst. Strieder informierte derweil das Abgeordnetenhaus über den Zuwachs von Wildschweinen in den Berliner Forsten.