AOL Time Warner Weltspitze

Medienkonzern macht 98,7 Milliarden Dollar Rekordverlust und schießt Ted Turner ab

BERLIN taz ■ Einen vorläufigen Rekord infolge der geplatzten Internetblase verkündete gestern AOL Time Warner. 98,7 Milliarden Dollar Verlust für das Jahr 2002 beim größten Medienkonzern der Welt. Fast die Hälfte davon sind Wertberichtigungen für den Onlinebereich AOL und das Kabelfernsehgeschäft – und sorgen für das dickste Minus der US-Firmengeschichte.

Der Verlustrekord bedeute aber nicht das Aus für den Konzern, wie man sich beeilte zu versichern – schließlich legte der Umsatz um 8 Prozent zu, Liquiditätsprobleme gibt es offenbar ebenso wenig. Das Aus kam aber für AOL Time Warner Vize-Chairman Ted Turner: Er gab gestern seinen Rücktritt bekannt. Der 64-jährige CNN-Gründer hält 3,1 Prozent der Aktien und ist damit größter Einzelaktionär des Konzerns.

Mit Turner entledigt man sich nach einer ersten Entlassungswelle unter den Vorständen nun ironischerweise auch des größten Kritikers der umstrittenen Fusion von America Online mit Time Warner im Januar 2001 zum größten Medienriesen aller Zeiten. Der Wert der Unternehmen war vor dem Zusammenschluss mit 181 Milliarden Dollar, danach hingegen nur noch mit 106 Milliarden Dollar bewertet worden, der Aktienkurs fiel infolge der weltweiten Medienkrise um insgesamt 78 Prozent.

Auf Druck der Aktionäre mussten bereits die maßgeblichen Betreiber des Zusammenschlusses gehen. Konzernchef Gerald Levin räumte seinen Sessel schon im Mai 2002 – und verabschiedete sich in den Ruhestand. AOL-Gründer Steve Case wurde vor zwei Wochen entlassen. Der Rücktritt seines schärfsten Kritikers Ted Turner kommt jetzt allerdings überraschend.

Damit verliert eine der schillerndsten Figuren der US-Medienbranche endgültig die Kontrolle über den von ihm gegründeten Nachrichtensender CNN. Offiziell kündigte Turner an, seine Zeit nun noch stärker sozialen Projekten widmen zu wollen. Was tunlichst bezweifelt werden sollte, denn noch Mitte Januar hatte der Medienmogul in New York verlauten lassen, er versuche „ein neues Vermögen aufzubauen für das, was ich verloren habe“. INA KÖHLER