SCHWARZ-GRÜN STEHT ZURZEIT NICHT HOCH IM KURS – SCHADE EIGENTLICH
: Köln klüngelt voran

Dass die Verzweiflung über die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen groß ist, lässt sich gut nachvollziehen. Deshalb gibt es in dem Land, das seit Jahrzehnten als Hochburg des SPD-Klüngels gilt, auf kommunaler Ebene weit mehr schwarz-grüne Bündnisse als andernorts. Jetzt hat diese Welle Köln erreicht, die größte Stadt Nordrhein-Westfalens und die viertgrößte Deutschlands – auch wenn im speziellen Kölner Fall die CDU in den Klüngel stets eingebunden war und ein Konflikt mit der FDP den Anlass für den Wechsel des Koalitionspartners bot.

Hätten sich CDU und Grüne am Rhein bereits vor ein paar Jahren zusammengetan, wäre ein solches Bündnis allerorten als Modell für die Landes- und Bundesebene beschrieben worden – mit Jubel oder Furcht, je nach politischem Standort. Doch in der letzten Zeit ist es um die schwarz-grüne Option stiller geworden. In der Union sind die konservativen Kräfte um Roland Koch und Friedrich Merz wieder auf dem Vormarsch, zudem muss die Union um den Verlust ihres Juniorpartners FDP nicht mehr so stark bangen wie noch in den Neunzigern.

Auf der anderen Seite haben sich die Grünen mehr denn je auf die SPD-Option festgelegt, seit die Sozialdemokraten ihrerseits nicht mehr mit den Liberalen oder einer großen Koalition liebäugeln. Die politischen Lager, so scheint es, sind fester gefügt denn je. Auch inhaltlich hat das bürgerlich-liberale Modell der Eigenverantwortung, das die Befürworter von Schwarz-Grün propagieren, in Krisenzeiten an Anziehungskraft verloren. Angesichts von Wirtschaftsflaute und Terrorangst scharen sich die Wähler um den starken Staat, wie ihn SPD-Gewerkschaftsflügel oder CDU-Rechte in unterschiedlicher Ausformung wünschen.

Zukunftsfähig ist das nicht. Deshalb sind die Grünen gut beraten, zum sozialdemokratischen Koalitionspartner Distanz zu wahren – und sich andere Optionen offenzuhalten. Und weil die FDP derzeit von einer Krise in die nächste schlittert, kann auch bei der CDU das Bedürfnis nach einem neuen Koalitionspartner wieder wachsen. Ganz nach dem Vorbild der österreichischen Konservativen, die mit den Grünen seit Montag ernsthafte Koalitionsverhandlungen führen. RALPH BOLLMANN