Im dritten Anlauf kurz vorm Ziel

Christian Wulff profitiert in Niedersachsen von Schröders Fehlstart und Gabriels hektischem Agieren im Wahlkampf

HANNOVER taz ■ Wie ein Sieger wurde Christian Wulff gefeiert, als er am späten Mittwochabend vom seinem zweiten und letzten Fernsehduell mit Sigmar Gabriel zu seinen Anhängern zurückkehrte. „Es gibt nur ein' Christian Wulff …“ schmetterte die Junge Union immer wieder. Obwohl Rudi Völler, für den der Junge-Union-Gesang gemeinhin angestimmt wird, bei der Fußballweltmeisterschaft bekanntlich nur zweiter Sieger wurde.

CDU-Landeschef Wulff allerdings hat bei seinem dritten Versuch, Ministerpräsident seines heimatlichen Niedersachsens zu werden, tatsächlich beste Chancen. Natürlich hat vor allem der Gegenwind aus Berlin, unter dem Gabriel und die niedersächsischen Sozialdemokraten leiden, Wulff überraschend zum klaren Favoriten der Niedersachsenwahl gemacht. Der CDU-Landeschef sieht in der unfreiwilligen Schützenhilfe durch die Bundesregierung einen Akt ausgleichender Gerechtigkeit. Schließlich waren es 1998 noch die Sozialdemokraten, die die Landtagswahl erfolgreich zu einer bundespolitischen Wahl, zur Entscheidung über eine SPD-Kanzlerkandidatur Gerhard Schröders, umfunktioniert hatten.

Wulff ist zwar in der CDU wie kaum ein anderer zu Hause, hat seine Parteikarriere schon als Gymnasiast begonnen, ein begnadeter Debattenredner oder Wahlkämpfer war er allerdings noch nie. Er vermag jedoch seinen Defiziten auch positive Seiten abzugewinnen. Zwar wirbt die CDU auch mit Plakaten, die in der Manier der rechtspopulistischen Schill-Partei ein Paar Handschellen und dazu den Spruch „Härter durchgreifen!“ zeigen. Wulff selbst gibt sich jedoch in Wahlkampfreden und im Fernsehen betont ruhig, seriös und staatsmännisch – eben als einer, den man gerade in Krisenzeiten Vertrauen schenkt. Von seinem Programm haben allerdings besonders die Krisenverlierer nicht Gutes zu erwarten. Wulff hat früher und schärfer als andere auf Senkung der Staatsquote und Abbau sozialer Leistungen gesetzt. Er verspricht auch jetzt vor allem ein wirtschaftsfreundliches Niedersachsen und dazu, im Landeshaushalt kräftig den Rotstift anzusetzen. Schwach ist Wulffs Regierungsmannschaft. Alle neun Ministerkandidaten, darunter nur zwei Frauen, stammen aus Niedersachsen, zumeist aus der CDU-Landtagsfraktion. Qualifizierte Köpfe von außerhalb hat Wulff nicht gefunden. Die Sozialdemokraten haben es mit einem völlig verkorksten eigenem Wahlkampf der CDU leicht gemacht. Ministerpräsident Gabriel macht ständig neue bundespolitische Vorschläge, redet lieber über das Abstimmungsverhalten im Bundesrat als über die Probleme des Landes und hat sich nur zu gern als Schröder-Kronprinz inszeniert. Als er die drohende Niederlage ins Auge fasste, reagierte er mit kopf- und hilflosen Angriffen gegen die CDU. JÜRGEN VOGES