Interkulturelle Missverständnisse

Warum versteht der Schweizer den Japaner nicht? Bremer Institut bildet Streitschlichter zwischen den Kulturen aus

Sprachbarrieren können mit Bildern und Fotos überwunden werden

Warum redet der Deutsche so laut? Warum unterbricht mich die Spanierin ständig? Warum antwortet der türkische Mann, obwohl ich mit seiner Frau gesprochen habe? Solche Fragen kennt Rolf Herzog zu Genüge. Der interkulturelle Mediator hilft, wenn unterschiedliche Werte und Verhaltenscodes zu Missverständnissen führen.

In international ausgerichteten Firmen, an Universitäten, in Jugendzentren oder Flüchtlingslagern: Überall prallen verschiedene Kulturen aufeinander und überall kann es deshalb zu Konflikten kommen. Wenn der Profi-Streitschlichter eingeschaltet wird, verlangt ihm das mehr ab, als eine einvernehmliche Lösung zu finden. Zunächst muss er prüfen, ob das Problem in der jeweiligen Kultur der Parteien begründet ist oder zumindest die Verständigung dadurch eingeschränkt wird. Dafür muß er das Verhalten seiner Klienten einordnen können und wissen, wie sich Werte und Geschichte eines Landes auf die Bevölkerung auswirken. Der Streit zwischen einem Türken und einem Deutschen hat nicht immer einen kulturellen Hintergrund. Herzog versucht herauszufinden, bei welchen Themen die Kontrahenten besonders empfindlich reagieren und wie die Kommunikation zwischen ihnen geregelt werden kann.

Der Mediator arbeitet jetzt seit fünf Jahren in diesem interkulturellen Job. Er ist gelernter Kriminologe und Sozialpädagoge und leitet mit internationalen ReferentInnen die Ausbildung am Europäischen Mediatoren- und Beraterinstitut in Bremen. Hier lernen Interessenten allgemeine Mediation und zusätzlich das benötigte Wissen des interkulturell ausgerichteten Mediators. Die Aufmerksamkeit für Merkmale einer Kultur, wie Bräuche, Traditionen und Geschichte, wird geschult: Was gehört sich und was nicht? Herzog, der als Sohn eines Bremerhavener Kapitäns schon in der Kindheit mit Menschen aus vielen Ländern zu tun hatte, nennt folgende Beispiele: Für den Chinesen gelte es als unhöflich wenn sein Gegenüber laut und aggressiv sprechen würde. Ein Afrikaner, der seinem Gesprächspartner etwas mitteilen möchte benutze dafür oft eine kleine Geschichte, die sein Anliegen verdeutlichen soll, der Deutsche komme bei Gesprächen lieber auf den Punkt. Verständigungsprobleme könne es auch zwischen Menschen des gleichen Landes geben, so Herzog: Ein Maschinenbauingenieur verstehe unter den selben Begriffen oft etwas anderes als ein Jurist.

Hier kommt der interkulturelle Mediator ins Spiel: Im Gespräch beobachtet er die Personen, ihren Erzählstil und versucht, kulturelle Prägungen herauszuarbeiten. Seine anschließende Aufgabe ist es, die unterschiedlichen Kommunikationsstile der Parteien einander anzupassen. Wie kann das Gespräch organisiert werden? Muss Herzog die Teilnehmer trennen? Der Mediator muss dabei auf beide Parteien und ihre Bedürfnisse eingehen, er ist darauf angewiesen von seinen Kunden akzeptiert zu werden.

Das Bremer Institut arbeitet meist mit großen Firmen: Will etwa eine Mutterfirma die Marketingabteilungen ihrer sieben Tochterfirmen aus ganz Europa vereinheitlichen, gilt es verschiedene Arbeitsweisen und Führungsverständnisse auf einen Nenner zu bringen. Methodisch hat Herzog dabei freie Hand: Mögliche Sprachbarrieren können etwa durch nonverbale Verfahren, wie der Einsatz von Fotos oder das Malen von Bildern, überwunden werden. Er weiß, dass Gesprächsunterbrechungen problematischer sein können, als die Verständigung über Sprachgrenzen hinweg.

Laura Ewert