Am Kreuz der Bank

Beim Bürgerhearing der Initiative Berliner Bankenskandal haben SPD- und PDS-Politiker einen schweren Stand. Mehr als 200 Besucher wollen nicht für eine verfehlte Bankenpolitik bluten

von RICHARD ROTHER

Berlin ans Kreuz des Bankenskandals genagelt – die Besucher des großen Bürgerhearings der „Initiative Berliner Bankenskandal“ wurden am Samstag schon symbolisch auf eine heiße Debatte eingestimmt. Über der Bühne der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg prangen mehrere Plakate: Auf einem ist der Berliner Bär zu sehen, der an dem Drei-Balken-Logo der Berliner Bankgesellschaft hängt.

Der Saal ist proppenvoll, zwei- bis dreihundert Berliner, überwiegend der Generation 40 plus angehörend, mögen es sein, die eines eint: ie wollen wissen, wie es zu dem Milliardendebakel bei der mehrheitlich landeseigenen Bank gekommen ist, ob es Alternativen zu Krisenbewältigung des rot-roten Senats gibt, vor allem aber wollen sie den anwesenden Politikern die Meinung sagen.

Frank Zimmermann (SPD), der Vorsitzende des Bankenuntersuchungsausschusses im Abgeordnetenhauses, hat einen schweren Stand. Immer wieder unterbrechen Zwischenrufe erboster Zuhöre seine Rede, in der er versucht zu erklären, was keiner verstehen will: dass die Übernahme der Immobilienrisiken der Bankgesellschaft durch Berlin so etwas wie das kleinere Übel ist, dass es nun darum geht, den „Schaden einzudämmen“ und von den Verantwortlichen eine weitestgehende Wiedergutmachung zu erhalten. „Warum sitzt Landowsky noch nicht im Gefängnis?“, will eine Zuhörerin wissen. Zimmermann appelliert an die Geduld der Berliner. Die Staatsanwaltschaft müsse ihren Job machen dürfen, 14 Spezialisten arbeiteten in der Sonderermittlungsgruppe, 66 Verfahren seien anhängig. Dem Publikum reicht das nicht, es will Ergebnisse. „Sie wollen nicht untersuchen, Sie wollen verschleiern“, wirft einer mit sich überschlagender Stimme Zimmermann vor. Das Publikum klatscht Beifall, und der Moderator der Veranstaltung, Robin Alexander (taz), muss immer wieder hart durchgreifen, damit Zimmermann zu Wort kommt. „Schimpfen hilft nicht, wir müssen argumentieren“, ruft der SPD-Mann.

Nach einer guten Viertelstunde hat Zimmermann es geschafft, dann muss sich die Gewerkschaftsfunktionärin Bärbel Wulf den bohrenden Fragen des Publikums stellen. Wo sie als Aufsichtsrätin der Bankgesellschaft gewesen sei, als die verlustreichen Immobiliengeschäfte abgeschlosen worden seien, wird sie gefragt. Auch dem Aufsichtsrat sei nicht alles gesagt worden, rechtfertigt sich Wulf, die eigentlich gekommen war, gegen den geplanten Verkauf der Bankgesellschaft zu kämpfen.

Die Zuhörer, die immer wieder die Sparpolitik des Senats mit dem Bankenskandal in Verbindung bringen – obwohl dieser nur einen Teil der Finanzmisere der Stadt ausmacht –, kennen einen der wichtigsten Gründe für die Fastpleite der Bank sehr gut: dass die Bankgesellschaft Immobilienfonds aufgelegt hatte, die mit über dem Marktüblichen liegenden Konditionen tausende Anleger bundesweit zu locken wusste. Konditionen, die in das Debakel führen mussten, für das nun das Land Berlin geradesteht.

Die Stimmung im Saal ist eindeutig: Die Besucher fordern, dass die Fondsanleger auf ihre garantierten Gewinne verzichten. FDP-Fraktionschef Martin Lindner stellt sich dagegen, warnt vor Illusionen. Rechtlich könne niemand die Anleger dazu verpflichten. Skandalös seien hingegen die so genannten Prominentenfonds gewesen, mit denen sich Banker und Politiker bereichert hätten, meint Lindner. Die Konsequenz aus dem Skandal sei, den Konzern zu privatisieren.

Davon will das Publikum wenig wissen. Es sorgt sich um die Zukunft der Berliner Sparkasse, vermutet, dass die Investmentfonds, die die Bank übernehmen wollen, eher an ihren Profiten interessiert sind als an einer nachhaltigen Entwicklung der Bank und Berlins. Der PDS-Finanzexperte Carl Wechselberg jedenfalls erntet höhnisches Gelächter, als er verspricht: „Wir werden nicht die guten Teile der Bank weggeben und die Risiken behalten.“

Birger Scholz von der Initiative Berliner Bankenskandal wertete die Veranstaltung als Erfolg der Bewegung. Erschreckend sei aber, wie wenig sich PDS und SPD mit den alternativen Ideen auseinander setzten, die mehrere Professoren ausgearbeitet haben. „Wir werden jetzt den Druck auf die Fraktionen erhöhen, um das Gesetz zur Risikoabschirmung zu Fall zu bringen.“ Denkbar sei auch ein Volksbegehren. „Der Senat kann den Skandal nicht aussitzen.“

Das sieht auch der 16-jährige Schüler Benjamin Wasilewski ähnlich, der nach der Veranstaltung beim Aufräumen mit anpackt. „Wir müssen etwas tun, die nächsten Generationen sind davon betroffen.“

wirtschaft SEITE 9