Ein Triumphator blickt nach vorn

Noch viel besser als erwartet fiel das Ergebnis für Hessens Ministerpräsidenten Roland Koch aus. Auch die Grünen können zufrieden sein, doch ohne eine personell erneuerte SPD nützt ihnen das wenig

WIESBADEN taz ■ Gerhard Bökel (57) und seine Sozialdemokraten haben in Hessen die Dreißigprozentmarke gerissen: Die letzte Hochrechung sah die SPD bei unter 28 Prozent. Und Bökel warf zu genau dem Zeitpunkt als Partei- und Fraktionschef das Handtuch, als sich der alte und neue Ministerpräsident des Landes, Roland Koch (44), von seinen Anhängern jubelnd feiern ließ – ausgerechnet im Sitzungssaal 119 M des Landtags, in dem drei Jahre lang der „Untersuchungsausschuss Schwarzgeld CDU“ tagte. Geschadet hat diese Affäre der Union nicht. Im Gegenteil: Stimmen die Hochrechnungen mit dem vorläufigen amtlichen Endergebnis überein, haben Koch und seine Unionisten in Hessen die absolute Mehrheit der Sitze im Landtag erobert; das erste Mal wieder seit 41 Jahren in diesem Bundesland.

1962 hatte Ministerpräsident Georg-August Zinn (SPD) zuletzt die absolute Mehrheit erringen können. Jetzt also Koch. Als Triumphator zog er gestern Abend bei der Union ein; der Beifall wollte kein Ende nehmen. Ein Event der religiösen Art. Und Koch nahm mit fast verklärtem Gesichtausdruck die Huldigungen seiner Anhänger auf. „Das beste Ergebnis, das die CDU jemals in Hessen erzielte“, frohlockte auch Innenminister Volker Bouffier. „Für die Koalition aus CDU und FDP haben fast 60 Prozent der Wähler votiert.“

Tatsächlich freute sich auch die FDP über die mehr als acht Prozentpunkte, die ihr mit der zweiten Hochrechnung gegen 18.45 Uhr überraschend prognostiziert wurden. Aber nicht so ganz richtig. Denn regieren kann die Union jetzt auch allein – wenn es bei der absoluten Mehrheit für die CDU blieb. Der taz sagte der Landtagsabgeordnete Michael Denzin, dass die FDP in diesem Fall die Koalition mit der Union „ganz bestimmt nicht fortsetzen“ werde; da seinen sich Fraktions- und Parteispitze „ganz einig“.

Die graue Eminenz der hessischen CDU, Franz-Josef Jung, den Koch auf dem Höhepunkt der Spendenaffäre auf Verlangen der FDP aus der Staatskanzlei feuerte, hatte der FDP dagegen noch um 18.30 Uhr erneut ein Koalitionsangebot unterbreitet: zur Fortsetzung der „erfolgreichen schwarz-gelben Regierungsarbeit“.

Gefreut haben sich auch die Grünen, die um mehr als zwei Prozentpunkte zulegen können. „Wir konnten leider nicht so viel dazugewinnen, wie die SPD verloren hat“, kommentierte Fraktionschef Tarek Al-Wazir (33) das Gesamtergebnis für Rot-Grün dann aber mit einem eher weinenden Auge. Die SPD müsse sich jetzt erneuern, sagte Al-Wazir weiter. Die Grünen jedenfalls würden „alles daransetzten, dass wir in fünf Jahren wieder in die Regierungsverantwortung kommen“.

Ob sich die hessische SPD bis dahin berappelt hat? Die Genossen jedenfalls waren erst einmal am Boden zerstört. Auch wenn fast alle sagten, dass Bökel gegen den negativen Bundestrend keine Chance gehabt habe, zog Bökel umgehend die Konsequenzen aus der „bitteren Niederlage“ und trat von seinen Ämtern zurück. Er wolle den Weg für einen Neuanfang frei machen. Und der sei „gut für alle“. Dass sich die SPD in Hessen „neu aufstellen muss in Fraktion und Partei“ hatten einige Genossen schon gleich nach der ersten verheerenden Hochrechung gefordert. Etwa der Landtagsabgeordnete Norbert Schmitt (50), der einen „neuen Politikstil“ anmahnte, der auch jüngere Wähler ansprechen müsse.

Namen wurden an diesem für die hessische SPD so traurigen Abend auch schon genannt. Der des Landtagsabgeordneten Jürgen Walter etwa, der im Untersuchungsausschuss eine gute Figur machte. Und immer wieder wurde auch auf den Offenbacher OB Gerhard Grandke verwiesen. Der war schon von Hans Eichel zum Nachfolger auserkoren worden; doch der Flughafenausbaugegner Grandke lehnte damals – noch – ab.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT