Historisch versiert

Sigrid Bruch wagte mit der Kantorei St.Pauli eine Aufführung der „Marienvesper“ von Claudio Monteverdi

Noch immer ist eine Aufführung von Claudio Monteverdis „Marienvesper“ ein Highlight: Das 1610 entstandene Werk ist nach seiner Wiederentdeckung im vergangenen Jahrhundert (1935) das meist gespielte Großwerk aus der Zeit vor 1700. Seine ästhetische Bedeutung ist den Passionen von Johann Sebastian Bach vergleichbar, den großen geistlichen Werken Wolfgang Amadeus Mozarts, den Oratorien Felix Mendelssohn Bartholdys, um nur einige der großen kirchenmusikalischen Werke zu nennen.

Da kann nicht ausbleiben, dass die Aufführung der „Vespro della beata Vergine“, wie sie im italienischen Originaltitel heißt, zum Ehrgeiz fast jeden Laienchores gehört, allemal zu den großen Kantoreien mit der Bezeichnung „A“. Nun hat es auch Sigrid Bruch mit der St.Pauli-Kantorei in der Kirche Unser Lieben Frauen gewagt.

Sigrid Bruch hatte mit ihrer klangschönen und intonationssicheren Kantorei die immens schweren, zum Teil zehnstimmigen Psalmen bewundernswert einstudiert, allerdings nicht immer zufriedenstellend in den Architekturen und Proportionen. So manches wurde da ein wenig konturenlos, hätte noch ein paar Proben mehr gebraucht.

Es war schade, dass Sigrid Bruch nicht mehr Raumeffekte eingeplant und auch gewagt hat, so wie das die Partitur für die erste Aufführung in der emporenreichen Kirche San Marco in Venedig verlangt. Besonders schade zum Beispiel für das „Duo Seraphim“, das als solistische Musik nachweislich von zwei gegenüberliegenden Emporen gesungen wurde und hier mit seinen Echowirkungen gut hätte realisiert werden können.

Sind also schon die Anforderungen an den Chor immens, so braucht es darüber hinaus in der historischen Singweise versierte SolistInnen und ein Orchester mit einem barocken Instrumetarium. Sopran, Alt und Bass (Dorothee Mields, Christine Maria Rembeck, Julia Comparini, Mattias Gerchen und Kai Wefer) überzeugten mit klangschöner Diktion, die beiden Tenöre Niels Giebelhausen und Henning-Arfst Klocke waren an diesem Abend nicht in Form.

Das 1999 gegründete Orchester „Bremer Ratsmusik“, das hauptsächlich aus ehemaligen MusikerInnen der Bremer Hochschule besteht, ist schon mehrfach aufgefallen. Auch hier war die Wiedergabe der virtuosen, eigentlich liturgiefremden Concerti, die Monteverdi in der damals neuen Kompositionstechnik, der „seconda prattica“, gesetzt hat, in besten Händen. Marc Ehlert sang mit einer Schola die den Psalmen zugehörigen gregorianischen Antiphonen; der heute anerkannten wissenschaftlichen These, dass Monteverdis Concerti die Antiphonen ersetzt haben, folgte Sigrid Bruch leider nicht. Ute Schalz-Laurenze