Nach der Wahl ist vor der Wahl
: Parteienforscher zum Ausgang der Niedersachsen-Wahl

„Bremer SPD muss auf Distanz zu Berlin gehen“

taz: Die nächste Wahl findet in Bremen statt. Muss die SPD sich nach dem Niedersachsen-Desaster auch hier fürchten?Peter Lösche: Bis dahin gehen drei Monate ins Land, da könnte sich einiges ändern. Noch zeichnet sich bei der Bundesregierung aber keine in sich konsistente Politik ab. Insofern ist die SPD in Bremen auch gefährdet, in diesen Negativ-Sog hineinzugeraten.

Also war es die Bundespolitik, die der SPD in Niedersachsen den Kopf gekostet hat?Eindeutig. Und hier die altbekannten Themen: Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Arbeitsmarktpolitik. Der Hauptgrund ist, dass Rot-Grün im Bund kein Konzept hatte. Flickschusterei, Kakophonie, Widersprüche. Die Wahlen in Niedersachsen haben sich hauptsächlich gegen die Hilflosigkeit der Regierung gewendet.

Können die Wähler von der CDU denn mehr erwarten?Nein, überhaupt nicht. Die CDU hat keine inhaltlich klare Alternative entwickelt.

Wie müsste die Bremer SPD im kommenden Wahlkampf mit dieser Situation umgehen?Sie muss versuchen, sich abzukoppeln. Aber anders, als Gabriel das getan hat. Also nicht von einem Thema zum nächsten springen, sondern positiv die lokalen Probleme betonen und auf die Leistungsbilanz hinweisen. Ansonsten versuchen, auf Distanz zu Berlin zu gehen.

In Bremen gibt es seit acht Jahren eine große Koalition. Teile der Bevölkerung und der politischen Fraktionen sagen: Es reicht. Aber ist nicht seit gestern Rot-Grün keine realistische Variante mehr?Was sich seit gestern anbahnt, ist eine de facto große Koalition im Bund, die sich über den Vermittlungsausschuss im Bundesrat herstellt. Insofern wird keine rot-grüne, sondern eine rot-grün-schwarze Politik betrieben. Ein Bundesland muss aber nicht dem folgen, was in Berlin passiert. Natürlich geht eine rot-grüne Koalition in Bremen genau wie jede andere.Bremen will etwas von der Bundesregierung, nämlich die Fortsetzung der Sanierungshilfe mit anderen Mitteln. Welche Koalition wäre strategisch besser?Das bleibt sich gleich: Rot-Grün könnte sich aufgehoben fühlen in der Konstellation auf Bundesebene. Eine große Koalition wäre gut im Vermittlungsausschuss aufgehoben.

Die Bremer CDU freut sich über den Auftrieb, den ihr das nun schwarze Umland gibt. Zu Recht?

Naja, wir haben es hier ja mit einem Umschwung im Meinungsklima zu tun. Und Wahlentscheidungen fallen in der Familie, im Freundeskreis und am Arbeitsplatz. Das heißt, die Pendler, die, aus Niedersachsen kommend, in Bremen arbeiten, haben diesen Meinungsumschwung unter Umständen mitgebracht und verbreiten ihn. Insofern scheint mir die Freude der CDU plausibel zu sein. Fragen: Elke Heyduck