Thomas Flierl geht stiften

Endlich: Der Kultursenator stellt Opernreformkonzept vor. Erhalt aller drei Bühnen unter dem Dach einer Stiftung. 220 Stellen fallen weg. Generalmanager führt Stiftungsregie. Bund will sich finanziell beteiligen. Ob die Häuser mitspielen, ist fraglich

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Niemand wird je behaupten können, Thomas Flierl habe bei der Erarbeitung des „Konzepts zur Strukturreform der drei Berliner Opernhäuser“ geschlampt. Ein ganzes Jahr hat der PDS-Kultursenator selbst über der schwierigen Gemengelage der an chronischem Geldmangel leidenden Musikbühnen gebrütet. Monatelang und „in zuweilen kontroversen Abstimmungsprozessen“ wurde von ihm „der Dialog mit Intendanten, Direktoren, den Personalräten, Kulturpolitikern und der Deutschen Opernkonferenz“ gesucht. Wollte Flierl doch nicht die Fehler seiner vier Vorgänger wiederholen, ein nicht abgestimmtes Modell gleich wieder einstampfen zu müssen. Und mehrere Wochen ist Flierl zu Staatsministerin Christina Weiss ins Kanzleramt gelaufen, um den Bund für eine finanzielle Beteiligung an der Opernreform zu gewinnen. Er hat auch Nerven gezeigt. Etwa als kritische Zwischenrufe oder Geätze aus den Häusern kamen und der Senator zu Überreaktionen – wie der Entlassung des Intendaten der Deutschen Oper – neigte.

Seit gestern ist das Geschichte. 204 Seiten dick ist das Konzept zur Strukturreform der Opernhäuser, und der Kultursenator hatte Grund, bei der Vorstellung des Pakets im Roten Rathaus sich selbst zu loben. „Glücklich“ sei er über das „moderne“ Konzept. Es bilde einen „Beitrag zu Sicherung der Berliner und nationalen Kulturlandschaft“, diene dem „Zusammenwachsen“ der Stadt und zeige endlich „modellhaft“ Wege aus der „kulturellen Abwärtsspirale“. „Was ich in den letzten Monaten tun konnte, die Opernhäuser durch die Klippen zu führen, habe ich getan“, sagte Flierl – und lässt nun alles Weitere auf sich zukommen.

Und das wird nicht ohne sein. Im Kern sieht das Papier zwar den Erhalt aller drei Opernhäuser, der Staatsoper Unter den Linden, der Deutschen Oper und der Komischen Oper, vor – den Abbau von über 220 Stellen inklusive. Die Bühnen sollen als künstlerisch und wirtschaftlich selbstständige Betriebe agieren, aber unter dem Dach einer öffentlich-rechtlichen Stiftung arbeiten. Zugleich sollen eine Ballett- und eine Bühnenservice-GmbH gegründet werden. An der Spitze der Opernstiftung wird ab 2004 ein Generaldirektor stehen. Dieser könne, so Flierl, für die „Koordination der Wirtschafts- und Spielpläne“ verantwortlich sein, sich aber in künstlerische Fragen „nicht einmischen“. Eine so genannte Generalintendanz werde es ebenso wenig geben wie eine Quersubventionierung der Häuser (siehe Grafik Seite 22).

Dass genau hier die ersten Sollbruchstellen des Konzepts liegen, weiß auch Flierl. Die Staatsoper lehnt bis dato das Stiftungsmodell ab, will sie doch unter die Fittiche des Bundes als Finanzier. Die Gründung einer Ballett-GmbH wird erst einmal rund 40 Tänzer den Job kosten. Hinzu kommt, dass der Generalmanager ganz sicher „die Profilierung“ (Flierl) der jeweiligen Häuser im Auge haben wird und damit die Intendantenarbeit einschränkt – trotz „Vetorechts“ der Häuserchefs.

Der „sozialverträgliche“ Abbau von 220 (von insgesamt 2.100) Stellen in den Opern- und Theaterensembles, Orchestern, dem Chor und in der Verwaltung soll laut dem Flierl-Papier bis 2008 9,6 Millionen Euro bei den Opern und 3,1 Millionen bei den Theatern einsparen, die vom Bund mitgetragen werden. Hinzu kommen Entlastungen für den Haushalt durch die Gründung der gemeinsamen Service-GmbH. Mit der Anschubfinanzierung des Bundes an der Stiftung in Höhe von 3,6 Millionen Euro und der weiteren geplanten Übernahme von Kultureinrichtungen wie der Akademie der Künste oder der Filmfestspiele könnten „mehr als 20 Millionen Euro“ gespart werden und eine dauerhafte Entlastung des Landeshaushalts von 31 Millionen Euro sowie die Entschuldung der Bühnenbetriebe erreicht werden. „Alternativlos“ nannte der Senator das Stiftungsmodell und die Einsparvarianten, „würde doch eine Fusion maximal 15 Millionen Euro sparen“. Das schöne Zahlenwerk sieht Flierl aber selbst „unter Vorbehalt“. Mit den Gewerkschaften müsse ein „Bündnis für die Bühnen“ geschlossen werden, das „Begrenzungen von Tarifsteigerungen und Flexibilisierungen in den Tarifverträgen“ zum Ziel habe. Die Personalräte werden sich freuen.

Auch Kulturstaatsministerin Weiss ist keine sichere Bank. Zwar „steht sie hinter dem Konzept; die Sicherung der Berliner Kulturlandschaft ist eine nationale Aufgabe“. Doch konkret sind die gewünschten Weiss-Flierl-Mittel im Haushalt Hans Eichels nicht eingestellt. Dorthin wird Flierl nun in Zukunft gehen müssen. Wieder wochenlang.

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