zur lage der superbowl-nation von PIA FRANKENBERG
:

Auf nichts im Leben ist Verlass, heißt es hier in Amerika, außer auf den Tod und die Steuern. Dem wären alljährlich hinzufügen: die Superbowl und die Rede des Präsidenten zur Lage der Nation. Neulich, zwei Tage vor dem höchsten Feiertag des amerikanischen Sportjahres, dekorierte Frank, unser Doorman, seinen Empfangstresen liebevoll mit Action-Hero-Figuren der Oakland Raiders und fieberte deren Sieg gegen die Tampa Bay Buccaneers entgegen. Dabei sein ist alles. So auch für uns.

Zunächst wurden wichtige Vorbereitungen getroffen, d. h. der Kühlschrank mit Bier voll gestopft, zwischen Pizza und Maccaroni and Cheese abgestimmt und unqualifizierte Ergebniswetten platziert. Sodann versammelte sich unser Familienhäufchen – inklusive eines erwartungsvollen, erstmalig in Amerika weilenden britischen Gastes – vor dem Fernsehgerät, um zum Auftakt der kanadischen Heulboje Celine Dion zu lauschen, die, Verrat an ihrer in solchen Dingen empfindlichen Heimat übend, „God bless America, my home sweet home“ in den Himmel über San Diego jaulte. Die Massen tobten, und die ausgestopften Gestalten auf dem Stadionrasen bekamen feuchte Augen.

Kaum hatten wir uns erholt, trällerten die Dixie Chicks dreistimmig die Nationalhymne, und während die letzte Note im Stadionrund verhallte, wartete eine atemlose Nation fünfzehn lange Sekunden auf den angekündigten Formationsflug ihrer Fighter Jets, was einen von uns zu der Bemerkung hinriss: „Hey, Mann, die haben verpennt.“ Aufsteigende Zweifel über den versprochenen „schnellen Sieg“ im Irak wurden unter stampfenden Cheerleader-Beinen zertrampelt, und schon stürzten sich Urlaute brüllende Testosteronpakete undurchschaubaren Regeln folgend aufeinander.

Alle vierzig Sekunden wurde das Gerangel für mindestens zwei Minuten Werbung unterbrochen, der englische Gast fragte verwirrt, wann die Jungs denn endlich die Helme abnähmen und anfingen, sich die Knochen zu brechen, und wir klärten ihn auf, dass es darum bedauerlicherweise nicht ginge, sondern um den besten Spot in den Werbepausen. Nach insgesamt vier Stunden und einer Halbzeitshow, in der Sting mit einer Band namens No Doubt von einer leicht abgestandenen „Message in a Bottle“ krächzte, ging der Werbepreis eindeutig an Ozzy Osbourne, für den man sogar „Pepsi with a Twist“ saufen würde.

Ach ja, die Raiders wurden furchtbar vermöbelt, und wir sprachen am nächsten Tag einem blassen Frank unser Beileid aus. Nach kurzem Atemschöpfen ging es zwei Tage später weiter. Der Präsident predigte beschwörend – „No Doubt“ zum Trotz – zur zweifelnden Nation, und gern hätte man jetzt bei irgendeinem Schiedsrichter um eine Auszeit gefleht. Der englische Gast errechnete eine ziemlich genaue Entsprechung von Applausunterbrechung und Football-Werbepausen, und wir beschlossen, unser Superbowl-Video mit den verschnarchten Fighter Jets als Diskussionsbeitrag ans Weiße Haus zu schicken. War nur leider schon überspielt. Mit den Osbournes.