Noch steht Chiracs Nein zum Irakkrieg

Vor dem heute stattfindenden franko-britischen Gipfel spekulieren die Medien der Insel über ein Einknicken Frankreichs

PARIS taz ■ „Chirac ist kein Idiot“ – zitierte die Londoner Times in ihrer gestrigen Ausgabe einen Vertreter des britischen Regierungschefs, „er weiß, dass er bereits zu weit gegangen ist.“ Früher oder später werde der französische Präsident einem Krieg gegen den Irak zustimmen, prognostizierten gestern auch andere britische Medien. Schon beim 25. frankobritischen Gipfeltreffen, das heute in dem Badeort Le Touquet am Ärmelkanal stattfindet, werde Frankeich seine Kehrtwende einleiten.

In Paris hingegen ist von einer Änderung der französischen Haltung zu einem Krieg gegen den Irak offiziell noch keine Rede. Chirac hält bislang an seiner Position fest. Danach ist Krieg „immer die schlechteste Lösung“ sowie „das Eingeständnis eines Scheiterns“. Auch Premierminister Jean-Pierre Raffarin, der die Äußerungen zur Irakfrage bislang dem Präsidenten und seinem Außenminister überlassen hatte, schaltete sich in die Debatte ein. Frankreich behalte sich in jedem Fall seine „Autonomie in der Entscheidung“ vor, sagte Raffarin im Interview mit einer indischen Zeitung – auch wenn die USA morgen im Weltsicherheitsrat neue belastende Dokumente gegen den Irak vorlegen sollten. „Es gibt keinen erfreulichen Krieg“, erklärte der Premier. Und: „Kurze Kriege sind selten.“

An dem frankobritischen Gipfeltreffen am Ärmelkanal werden neben Tony Blair und Chirac auch der französische Premierminister sowie die VerteidigungsministerInnen beider Seiten teilnehmen. Es ist die erste bilaterale Begegnung seit dem Affront des Briefs der US-Freunde in Europa, in dem vergangene Woche acht Regierungschefs – darunter Blair – die deutsch-französische Irakposition kritisiert und sich eindeutig hinter die USA gestellt hatten. Es ist zugleich das erste bilaterale Treffen, seit sich George W. Bush und Blair am Wochenende in Camp David auf ein gemeinsamen Vorgehen geeinigt haben.

Chirac, auch das ist seit langem bekannt, fährt in Sachen Irakkrieg zweigleisig. Er hat nie grundsätzlich „nie“ gesagt und sich nie als „Pazifisten“ beschrieben. Während er die US-Kriegsvorbereitungen kritisierte, ließ er US-Kriegsschiffe in französischen Militärhäfen warten und beauftragte seine eigenen Soldaten, „für jede Eventualität bereit“ zu sein. Er ließ auch den Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ startklar machen, und seine Sprecher versichern, dass Frankreich über genügend militärisches Personal und Mittel verfüge, um notfalls zur Stelle zu sein. Schließlich ist auch Frankreich daran interessiert, wirtschaftlich und politisch gut mit einem künftigen Regime in Bagdad zusammenarbeiten zu können.

Die französische militärische Einsatzbereitschaft hat Chirac zugleich in einer anderen Region der Welt unter Beweis gestellt: in der Elfenbeinküste. Das französische Engagement in der Exkolonie könnte im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zu einem Irakkrieg in den nächsten Tagen auch als Argument gegen Chirac verwandt werden. Denn bislang sind die französischen Verhandlungsbemühungen in der Elfenbeinküste kläglich gescheitert. Außerdem ist die französische Militärpräsenz in der Elfenbeinküste gänzlich „unilateral“ – die UNO jedenfalls hat Frankreich nicht nach Westafrika geschickt.

In der französischen Antikriegsbewegung wächst gegenwärtig die Sorge, Jacques Chirac könnte gegenüber den USA einknicken. In den nächsten Tagen – und bei den für den 15. Februar geplanten Demonstrationen – will sie für ein französisches Veto im Weltsicherheitsrat mobilisieren. Seit vergangener Woche zirkuliert auch im Web eine Petition in diesem Sinne (membres .lycos.fr/stopalaguerre/). Sie fordert Chirac auf, in jedem Fall mit „Non“ zu stimmen.

DOROTHEA HAHN