„Wut und Enttäuschung“ in der Hessen-SPD

Nach dem Rücktritt Gerhard Bökels vom Partei- und Fraktionsvorsitz soll ein Team die Partei aus der Krise führen

WIESBADEN taz ■ Die drei Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands der hessischen SPD saßen gestern da wie gerichtet: Andrea Ypsilanti (45), Gernot Grumbach (50) und Manfred Schaub (45) versuchten, die Gründe für die „fürchterlichste Niederlage in der Nachkriegsgeschichte der hessischen SPD“ zu analysieren. Und nach dem Rücktritt Gerhard Bökels vom Partei- und Fraktionsvorsitz einen programmatischen und personellen Neuanfang zu propagieren.

Die Stimmungslage aus „Wut und Enttäuschung“ (Ypsilanti) ließ das aber zunächst nicht zu. Vor Presse, Funk und Fernsehen wurde erst einmal abgerechnet mit der Bundesregierung, der ein Großteil der Schuld für das Debakel am Sonntag zugeschoben wurde. Zu 80 Prozent sei die „Kakophonie“ in Berlin verantwortlich dafür, dass man in Hessen überhaupt keine Chance gehabt habe, ein eigenes Profil zu entwickeln, so Grumbach. Immerhin, so räumte der Landespolitiker ein, seien vielleicht zu 20 Prozent auch von der hessischen SPD „Fehler gemacht“ worden. Man brauche bei der SPD wieder „klare Leitlinien auf Landes- und auf Bundesebene“. Die SPD müsse endlich wieder die Partei der sozialen Gerechtigkeit werden und dürfe die Modernisierungsverlierer nicht länger im Regen stehen lassen. Grumbach erteilte allerdings auch Traditionalisten vom Schlage eines Oskar Lafontaine, der „nur ein Solist“ sei, eine klare Absage. Teamgeist sei jetzt gefragt. Und gerade in Hessen habe die Partei begriffen, dass an einem „programmatischen Modernisierungsprozess“ auf vielen Politikfeldern kein Weg vorbeiführe.

Und wie weiter mit der hessischen SPD? Man werde „nichts übers Knie brechen“, sagte Andrea Ypsilanti. Schließlich müsse jetzt auch „Zeit für die Trauerarbeit“ bleiben. Einen Kronprinzen jedenfalls werde man so schnell nicht präsentieren. Ein „Team“ soll die Partei zunächst führen. Zu gegebener Zeit werde dann ein Kandidat oder eine Kandidatin für den vakanten Parteivorsitz vorgeschlagen.

Dass dem Team die drei Mitglieder des geschäftsführenden Landesvorstandes angehören werden, stand gestern fest. Dazustoßen werde noch der Jurist Jürgen Walter, Obmann der SPD im Untersuchungsausschuss CDU-Schwarzgeld. Auch fiel der Name des Landtagsabgeordneten Norbert Schmitt (47). Und die Partei verfüge noch über „einige fähige Kommunalpolitiker“, die „unbedingt eingebunden“ werden sollten, so Manfred Schaub.

Eine Personalentscheidung allerdings können die gestern ganz offensichtlich noch unter Schock stehenden Genossen in Hessen nicht auf die lange Bank schieben. Denn wenn sich Anfang April der neue Landtag konstituiert, muss die Partei einen Fraktionsvorsitzenden präsentieren. Manfred Schaub aus Baunatal, der zur Zeit noch parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion ist, könnte durchaus der Mann für diese Position sein. Oder der „schöne Lothar“ Klemm (53) aus Hanau. Der war schon einmal Wirtschaftsminister in Hessen. Und auch Fraktionsvorsitzender. Für Schaub spricht, dass er am Sonntag eines von nur noch zwei Direktmandaten für die SPD errang. Die restlichen 53 fielen an die CDU.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT