Schröder eiert weiter

Kanzler übernimmt Verantwortung für Wahlniederlagen. Statt Aufbruchssignal an die Genossen nur Gesprächsangebote an die Opposition. Die verspricht erst mal Verzicht auf Blockadehaltung

BERLIN taz ■ Keine Idee, kein Impuls, kein Slogan – am Tag nach dem Wahldebakel der SPD weist auch der Parteichef und Bundeskanzler den Genossen keinen Weg nach vorne. Ein sichtlich angeschlagener Gerhard Schröder nahm gestern in der Präsidiumssitzung zwar die „zentrale Verantwortung“ für die Niederlage auf sich, beließ es ansonsten aber bei der vagen Ankündigung, die rot-grüne Bundesregierung werde an ihrem „Reformkurs“ festhalten. Einen Rücktritt schloss der Kanzler aus: „Ich denke nicht daran – und andere denken auch nicht daran.“

Freuen kann sich vor allem die Union, die ihre Sitzzahl im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat so verbesserte, dass sie künftig nicht mehr übergangen werden kann. Schröder machte CDU und CSU eine Reihe von Angeboten zur Zusammenarbeit. So will er mit der Union schon vor der Einbringung von Gesetzen im Parlament kooperieren. Der CDU-Partei- und -Fraktionschefin Angela Merkel stellte er sogar in Aussicht, in einem persönlichen Gespräch die Gesetzesvorhaben der rot-grünen Koalition zu erörtern: „Ich bin allemal gesprächsbereit.“ Deshalb von einer informellen großen Koalition zu sprechen sei aber „ein falscher Begriff“, Verhandlungen mit der Union würden weder die Identität der SPD noch die der Grünen in Frage stellen.

Angela Merkel und die Sieger der Landtagswahlen von Hessen und Niedersachsen, Roland Koch und Christian Wulff (beide CDU), wiederholten gestern, „dass wir nicht Blockade, sondern nur Kontrolle ausüben werden“. Was das konkret bedeutet, machte der hessische Ministerpräsident am Beispiel des so genannten Steuervergünstigungsabbaugesetzes deutlich. Das Paket von Maßnahmen „habe keine Chance mehr“, sagte Koch, „das Gesetz wird in Deutschland definitiv nicht kommen“. Aus Gründen des öffentlichen Ansehens will die Opposition aber den Anschein des Neinsagens vermeiden.

Entgegen informellen Ankündigungen vor der Wahl nutzte Schröder seinen gestrigen Auftritt nicht zu einem Aufbruchssignal. Stattdessen bemühte er sich, die Befürworter wie die Gegner eines größeren Reformeifers in der SPD gleichermaßen zufrieden zu stellen. „Reformen sind immer Instrument, nie Ziel als solches“, beruhigte er die Parteilinke, den Stürmern und Drängern stellte er in Aussicht, „das Tempo der Veränderungen auch noch zu steigern“. Der Parteienforscher Franz Walter deutet Schröders Unschlüssigkeit als den Anfang vom Ende. Die SPD, schreibt er in einem Beitrag für die taz, „ist auf der Suche nach einem neuen Leitwolf“.

PATRIK SCHWARZ

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