Allein mit Rodin

Kunsthalle Bremen zeigt Fotografien von Candida Höfer neben hauseigenen Plastiken

Was will die Ausstellung von Candida Höfer in der Kunsthalle Bremen eigentlich zeigen? Angekündigt als „Zwölf Museumsräume“ ist in der Beschreibung die Rede von bronzenen Rodin-Figuren, ergänzt durch Zeichnungen und Skizzen, vor allem aber von Fotografien der Rodin-Plastik „Bürger von Calais“, und plötzlich heißt’s, dass Interieur-Aufnahmen und das Bremer Kupferstichkabinett im Fokus stünden. Doch was bitte hat das miteinander zu tun?

Nach wochenlangem Ansturm auf die „Van Gogh“-Ausstellung zeigt die Kunsthalle nun in der „Großen Galerie“ eine renommierte zeitgenössische Künstlerin, sekundiert von den hauseigenen Plastiken und Skizzen Auguste Rodins.

Das ist nahe liegend, denn zu den Aufnahmen Candida Höfers gehört auch jener Zyklus, der sich ganz auf Rodins Bronzeskulptur „Die Bürger von Calais“ konzentriert hatte und bereits vergangenen Sommer bei der „documenta“ in Kassel zu sehen war. Die Künstlerin fotografierte deren zwölf Abgüsse in Museen und auf öffentlichen Plätzen der ganzen Welt. Damit thematisiert Höfer die Beziehung zwischen der symbolträchtigen Plastik und ihren unterschiedlichen Ausstellungsorten, zwischen Kunstwerk und Raum.

Das Thema ist nicht neu im Oeuvre der Fotografin. Bereits im Studium in der Klasse an der Düsseldorfer Kunstakademie hatte sie sich ihm gewidmet und so ihren persönlichen Stil geformt. Ihre Farbfotos reflektieren über soziale und kulturelle Lebensräume. Wobei ihre Stärke, das macht auch die Bremer Ausstellung deutlich, in der Darstellung öffentlicher Orte – Bibliotheken, Museen, Universitäten oder Foyers – liegt, die, ganz ohne Menschen ins Bild gebannt, eine überwältigende Intimität gewinnen können. So sieht man auf den Bildern meist abgeschnittene, leere Räume, nur selten symmetrisch, durchzogen von einer gemütlich schlummernden Atmosphäre und gleichzeitig von einer vitalisierenden Weite, die Platz für geistige Ausschweifungen lässt.

Das liegt beispielweise an den dunklen Holzregalen auf Höfers Bildern, an den vielen aufgereihten Büchern, an den abgedunkelten Lampen und antiquarischen Sitzmöbeln, den schweren roten Teppichen. Dort scheint die Erhabenheit in eigentümlicher Stille zu ruhen, ein Stück geballter Menschheitsgeschichte ihre Besucher zum Verweilen oder zum Staunen einzuladen.

Die Krux der ambitionierten Schau ist allerdings, dass zwar ihr Konzept rational nachvollziehbar ist: Wie eine russische Puppe spannt sich um den fotografierten Raum für Kunst ein Kunstraum – der zweifellos wiederum ein ideales Objekt für ein neues Foto von Candida Höfer abgeben dürfte.

Doch dieses Spiel verharrt auf der intellektuellen Ebene. Es erschließt sich nicht dem Auge. Bereits die frühen Foto-Serien Höfers, vornehmlich Interieurs, kontrastieren mit den neueren Rodin-Bildern: Bei diesen handelt es sich notwendigerweise hauptsächlich um Freilichtaufnahmen. Problematischer allerdings noch die Beziehung zwischen den Skulpturen des ausgehenden 19. Jahrhunderts und den aktuellen Fotografien.

Die farbig glänzenden Abzüge treten nicht in den Dialog mit den dreidimensionalen dunklen Plastiken. Was Fotografien von Rodins „Bürgern von Calais“ – außer dem Namen der sie ablichtenden Künstlerin – mit Bibliotheks-Interieurs zu tun haben, diese Antwort bleibt die neue Kunsthallenausstellung schuldig.

Ungeachtet dessen ziehen die Fotografien Höfers für sich betrachtet in ihren Bann. Vielleicht gerade weil in ihnen Sterilität und Emotionalität aufeinander treffen. Begegnung, die nur unter besonderen Bedingungen realisierbar erscheint, räumt die Künstlerin ein. „Mich in diesen Räumen alleine zu bewegen, ist tatsächlich ein großes Privileg, das ich habe“, so Höfer. Niemand muss dort etwas erzählen. Alles ist gesagt. Oder, in Höfers Fall: abgelichtet. So, wie es die Menschen rührt.

Anja Damm