Der Stachel im Fruchtfleisch

Smells like Stinkbombe: Wie sieht es aus, wenn sich das Militär an einer Geruchswaffe versucht? Die Ausstellung „PONG“ (Gestank) in der Galerie Kamm gibt darauf mögliche Antworten

von ANDREAS HERGETH

„Wie isst man das?“, fragten Zeitungen in den Tagen der Grünen Woche. Dazu bildeten sie hierzulande bislang unbekannte exotische Früchte ab, die neu auf den Markt gebracht werden. Dieses Jahr waren es Pitahaya, Pulasan und Rambutan, alles Obst aus Südostasien. Die letzten beiden klingen irgendwie nach Medikament und Giftgas.

Auch in der Galerie Kamm geht es derzeit fruchtig zu. Die Ausstellung „PONG“ (Gestank) erzählt die Geschichte einer fremden Frucht namens Durian und den militärischen Experimenten einer Regierung, die Geruch als Waffe gegen zivile Unruhen und Massenversammlungen einsetzt. Dabei vermischen sich Realität und Fiktion in Zeiten immer modernerer Waffen und einem drohenden Irakkrieg zu einer höchst aktuellen Kunsterzählung. Cornelia Schmidt-Bleek installierte eine Art dreidimensionales Stilleben, das an die Heimkehr früherer Forschungsreisender und deren Beutepräsentation erinnert.

In einer Holzkiste liegen noch die Verpackungsteile aus Styropor, die etwas Rundes, leicht Ovales schützten. Von der Decke baumelt das seltsame Früchtchen, rot, größer als ein Fußball und mit vielen kleinen Stacheln. Darunter steht ein Glaskolben, an dem man die Durian-Frucht riechen kann. Wissenschaftlich anmutende Detailzeichnungen zeigen das Ding von außen und innen. Aus Südostasien stammend, ist die Frucht in Wirklichkeit viel kleiner und grün, doch genau so stachelig. Zur aggressiven Erscheinungsform gesellt sich ein für westliche Nasen unbekannter Geruch, der kaum ertragbar an ekligen Gärungsgestank erinnert. Ließe sich aus dieser Geruchsvorlage eine Stinkbombe entwickeln?

In Singapur verbieten nicht ohne Grund Schilder die Mitnahme der Durian-Frucht in der U-Bahn. Wahr ist, das US-Militärs an einer Geruchswaffe forschen. Deren Wirkung könnte so aussehen wie auf einer großformatigen Fotografie der 39-Jährigen, die eine von Müll übersäte, aber menschenleere Straße mit verbarrikadierten Schaufenstern zeigt. Weder Ereignis noch Schauplatz sind eindeutig auszumachen. Es könnte sich um einen per Stinkbombe von Protestlern „gesäuberten“ Ort handeln.

Eine aushängende fiktive Erzählung von Nina Coon kommt dann auch wie ein Augenzeugenbericht eines tatsächlichen Geruchsbombeneinsatzes daher. „Innerhalb von Sekunden war mein Körper von Schweißausbrüchen übersät. Es gab kein Wort für diesen Gestank, Moder, Fäkalien, Müllhalden.“ Tatsächlich zeigt die Aufnahme eine New Yorker Straße, nachdem dort die alljährliche Rosen-Parade durchzog und ihren Müll hinterließ. Die in den USA geborene und in Berlin lebende Künstlerin wirft mit ihrer Arbeit „PONG“ die Frage auf, was passieren könnte, wenn durchgeknallte Militärs wirklich eine Stinkbombe entwickeln. Damit berührt Cornelia Schmidt-Bleek erneut zwar fiktive, dennoch begründete Ängste und Themenkomplexe, die schon in früheren Arbeiten auftauchten: Phänomene von temporären Massenaufläufen in urbanen Kontexten und die Frage, ob, wie und in welchem Erscheinungsbild das Fremde sich uns vermittelt. Leider viel zu oft als Bedrohung.

Bis 22. Februar, Mi.–Fr. 13–19 Uhr, Sa. 13–18 Uhr, Galerie Kamm, Almstadtstraße 5, Mitte