Rechnung mit Unbekannten

Die deutschen Hallenhockey-Teams der Männer und Frauen gehen ab heute als klare Favoritenin die Doppel-Weltmeisterschaft und freuen sich auf prima Stimmung in der Leipziger Arena

aus Leipzig CLAUDIA KLATT

Als die deutsche Herrennationalmannschaft letztes Jahr im Februar nach Malaysia aufgebrochen war, tat sie das als Favorit, den ersten Weltmeistertitel in der Geschichte des deutschen Hockeys zu sichern. Was auch gelang. Die Vorzeichen vor der Hallenhockey-Weltmeisterschaft, die von heute an bis zum Sonntag in der neuen Arena in Leipzig stattfindet, sind ähnlich: Nur dass sich die Frauen dieses Mal bei der erstmals ausgetragenen Doppelveranstaltung in diese Favoritenstellung miteinreihen. Da sie nach dem tiefen Olympia-Sturz von Sydney den Anschluss zur Weltspitze im Feldhockey in den letzten Jahren verloren haben, ist dies für sie jedoch inzwischen eine relativ ungewohnte Situation.

Deutschlands Vormachtstellung im Hallenhockey mag für den Weltverband FIH den Ausschlag gegeben haben, die überhaupt erste Weltmeisterschaft im Hallenhockey nach Leipzig zu vergeben. Für den Deutschen Hockeybund (DHB) ist es nach der Champion’s Trophy in Köln im letzten Sommer erneut eine Chance, sich mit einem hochkarätigen Turnier in der Öffentlichkeit zu präsentieren. „Für uns ist die Veranstaltung sehr wichtig“, berichtet Uschi Schmitz, Generalsekretärin des DHB. „Vor allem wollen wir auch Hallenhockey weiterbringen.“ Die Sportart, die in Deutschland fast in gleichem Maße wie die olympische Sportart Feldhockey betrieben wird, soll 2005 als Sportart bei den World Games in Duisburg dabei sein.

Sportlich allerdings bedeutet die fehlende Konzentration anderer Länder auf Hallenhockey für die deutschen Teams zunächst eine Rechnung mit mehreren Unbekannten. „Bei einigen Nationen haben wir keine Vorstellung, wie stark sie eigentlich sind“, lautet der Tenor der Trainer Bernhard Peters (Männer) und Peter Lemmen (Frauen). Die Asiaten, die im Feldhockey drei Mannschaften unter den Top 6 haben, fehlen bei der Leipziger Veranstaltung komplett, und Nationen wie Weißrussland, Polen, die Schweiz und Österreich sind auf dem Feld international eher zweitklassig, in Leipzig aber dabei. Die panamerikanischen Vertreter, die im Frauenfeld mitspielen, wie Mexiko und Trinidad & Tobago, zählen gar zu den Hockey-Entwicklungsländern.

Überdies gibt es Terminprobleme. Eine weitere hochklassige Veranstaltung im Hockey-Jahreskalender unterzubringen gestaltet sich schwierig, die Hallen-Weltmeisterschaft findet bei den Männern nur drei Wochen nach der Hallen-Europameisterschaft statt (hier verloren die Deutschen noch nie ein Spiel). Nach Ansicht von Bernhard Peters nicht gerade ein glücklicher Umstand. Bei den Frauen wurde gerade erst im November die Weltmeisterschaft im Feldhockey im australischen Perth ausgetragen, und zu Hause hat im Januar die Hallen-Bundesligasaison begonnen. „Das gab uns gerade mal zweieinhalb Tage Vorbereitung“, berichtet Peter Lemmen. Die im Feld siegreichen Argentinierinnen sind gar nicht mit von der Partie, dafür die Südafrikanerinnen, die im Hallenhockey bisher null Länderspiele aufweisen können. Die Mexikanerinnen, die wenigstens schon drei Länderspiele zu Buche stehen haben, verloren ein Trainingsspiel gegen den Bundesligisten ATV Leipzig klar mit 1:9.

Nicht mit so einem starken Leistungsgefälle wie die Damen werden es die Herren zu tun haben, doch auch da stehen die Deutschen unangefochten an der Spitze der Setzliste. Mit acht Feldweltmeistern im 12-er Kader kann auf dem Weg zum Titelgewinn eigentlich gar nichts mehr schief gehen. Lediglich die Franzosen haben den deutschen Herren das Leben schon schwer gemacht und ihnen eins von zwei Unentschieden in der Länderspielgeschichte beigebracht. Der Bundestrainer will solche Prognosen gar nicht hören. Bernhard Peters verweist auf die Südafrikaner, deren Stärke keiner kennt, und die Australier, die nicht wie die Deutschen viele Spieler ihres Feldkaders dabeihaben, sondern ein komplett anderes Team und einen komplett anderen Spielertyp. Die Männer vom fünften Kontinent sind schon seit sieben Wochen auf Europatour, und Peters hat sie noch nicht spielen gesehen. „Auch die Franzosen und die Polen werden wesentlich besser sein als bei der EM vor drei Wochen“, mutmaßt er.

Trotz der Heterogenität des Teilnehmerfeldes hat das Spiel in der Halle gegenüber dem auf dem Feld durchaus seinen Reiz: Es geht noch viel schneller, und es fallen viel mehr Tore, alles Dinge, die Zuschauer anlocken. Besonders froh ist man beim DHB über Fernsehzeiten auf Eurosport und in einigen dritten Programmen. Die deutschen Spielerinnen und Spieler freuen sich auf die Hallenveranstaltung aufgrund der besseren Stimmung und des technisch und taktisch betonteren Spiels. Das Ziel heißt ganz klar Titelgewinn, für die Frauen wäre das Gefühl, ganz oben mitzuspielen, etwas, was man lange nicht mehr gehabt hat. Ob auch die Sportart Hallenhockey gewinnen wird, kann erst nach der Veranstaltung in Leipzig beurteilt werden. Oder wie Bernhard Peters sagt: „Wie hoch der Stellenwert einer solchen Veranstaltung ist, wird der Sport selber zeigen.“