Keine Schule für alle

Volksbegehren für 10-jähriges gemeinsames Lernen bekommt gut 10.000 Unterschriften zu wenig zusammen. Initiative erklärt: Die Bewegung geht weiter. Kritik an Zurückhaltung der Grünen

VON KAIJA KUTTER

Das Volksbegehren „Eine Schule für alle“ hat die gesetzliche Hürde von 61.834 Stimmen verfehlt. Freitag Mittag reichten die Initiatoren 50.562 Unterschriften bei Landesabstimmungsleiter Willi Beiß ein. Zusammen mit den per Briefwahl und in den Bezirken abgegebenen Voten wurden 51.509 Unterstützer gezählt.

Die Mitglieder der Volksinitiative, die teils noch bis Donnerstag Nacht gesammelt hatten, nahmen diese Nachricht traurig und gefasst. Für die 50.000 Unterschriften habe man mit 300.000 Menschen gesprochen, sagte Initiativen-Sprecherin Karen Medrow-Struß: „Der Gesprächsbedarf der Menschen auf der Straße war enorm.“ Gemessen daran seien drei Wochen Sammelzeit „schlicht zu kurz“ gewesen.

„Das Thema Schulstruktur wird in Hamburg extrem polarisiert und politisiert behandelt“, ergänzt Klaus Bullan, Chef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. In den Gesprächen sei deutlich geworden, dass „Eine Schule für Alle“ das richtige Ziel habe. „Auch wenn das Verfahren dieses Volksbegehrens beendet ist“, sagt Bullan, „die Bewegung für längeres gemeinsames Lernen geht weiter.“

Verhalten wurde gestern auch Kritik an SPD und Grünen laut. Denn betrachtet man die Parteiprogramme, gibt es in der Bürgerschaft eigentlich eine rot-rot-grüne Mehrheit für eine Schule für alle. „Schon bizarr“, findet Medrow-Struß es, „wenn uns zwei dieser drei Parteien nicht unterstützen“.

Hatte der GAL-Landesverband im Herbst 2007 – während der ersten Sammelphase der Initiative – noch die Stellschilder bereitgestellt, wurde diese Hilfe diesmal verweigert. „Es gibt einzelne Grüne, die als Privatperson unterschrieben haben“, sagt GAL-Parteichefin Katharina Fegebank. „Wir als Parteispitze haben uns davon frei gemacht.“ Im aktuellen Parteiprogramm steht noch die vor vier Jahren von Christa Goetsch entwickelte Vision „neun macht klug“. Ob sie auch im Wahlkampf 2012 im Programm steht, wird nach der Bundestagswahl 2009 besprochen.

Die schulpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Dora Heyenn, die auch selbst Unterschriften sammelte, nennt das Verhalten der Grünen „feige“. Verständlich sei, dass Regierung und Fraktion sich raushielten, findet sie. Die Partei aber hätte „eine Schule für alle“ weiter unterstützen können, so Heyenn: „Schließlich stimmt sie ja auch für Moorburg und sagt, dass sie gegen Kohlekraftwerke ist.“

SPD-Mitglied Dietrich Lemke, der mit einem Kampagenbus durch die Stadt fuhr und täglich 100 Unterschriften sammelte, findet solche Schuldzuweisungen verkehrt. „Es lag an niemanden außer an uns“, sagt der pensionierte Schulamtsleiter.

Die Schulpolitiker der übrigen Fraktionen sahen sich durch den Ausgang des Begehrens in ihrer Haltung bestätigt. „Es hat sich gezeigt, dass ‚Eine Schule für alle‘ eine gute Idee ist, die aber nicht übers Knie gebrochen werden darf“, sagt der SPD-Abgeordnete Ties Rabe, der zu den Verfechtern einer Nicht-Unterstützung zählte. Und CDU-Politiker Marino Freistedt liest aus dem Misserfolg, dass die Hamburger „kein Vertrauen in ein solches System haben“: Für eine Metropole mit unterschiedlichen Talenten sei „Eine Schule für alle“ nicht geeignet. Die CDU glaube, dass die sechsjährige Primarschule der richtige Weg sei und fordere „alle Eltern, Schüler und Lehrer auf“, sie zu begleiten. Auch GAL-Schulpolitiker Michael Gwosdz sprach von der Hoffnung, nun viele Menschen, die für die Schule für alle sind, für die schwarz-grüne Schulreform „zu begeistern“.

Einer allerdings kämpft wacker dagegen. Walter Scheuerl von der Initiative „Wir wollen lernen“ erklärte, mit dem Volksbegehren seien die „Goetsch Pläne“ gescheitert. Ob er für sein eigenes Volksbegehren – mit dem Ziel, die Grundschule weiter auf vier Jahre zu begrenzen – eine Mehrheit hat, zeigt sich im Herbst 2009: Dann muss er 61.000 Unterschriften sammeln.