Jubel, Trubel, Heiterkeit

Mit dem Musical „Kiss me, Kate“ geht die Bremer Shakespeare Company in ihre 25. Spielzeit. Von seinen geliebten Konventionen nimmt das einstige Alternativ-Theater dabei nur langsam Abstand – aber zumindest werden sie jetzt auch mal ironisch gebrochen

von Jan Zier

Sie können nicht wirklich singen. Könnte man sagen. Die meisten im Ensemble der Bremer Shakespeare Company (BSC) wenigstens – von ein paar ganz guten Ansätzen mal abgesehen. Durchaus ein Problem, will man anlässlich seines 25. Geburtstages mit einem prominenten Musical glänzen. Noch dazu mit einem von Cole Porter, seines Zeichens ein Säulenheiliger des Jazz. Lang ist die Liste Klassiker gewordener Interpretationen seiner Songs, auch und gerade aus diesem Stück.

Man könnte aber auch sagen: Das darf, muss womöglich sogar so sein, nicht nur weil „Kiss me, Kate“ eine etwas schmierige, nun ja, eben sehr boulevardeske Komödie ist. Sondern auch, weil es zugleich eine Parodie auf den Theaterbetrieb, die Perfektion seiner Inszenierung ist.

Sie beschreibt vielleicht auch die heutige Lage der BSC. „Wir haben nur die Wahl zwischen bürgerlicher Moral und ewigem Pubertieren“, heißt es an einer Stelle. Zum einen pflegt die BSC ihre Tradition der kollektiven Selbstverwaltung, der Auflehnung gegen die Konventionen des bürgerlichen Stadttheaters, nicht zu vergessen ihre mit der Friedensbewegung, den Alt-68ern verknüpfte Gründungsgeschichte.

Andererseits entwickelt sie sich nachhaltig weg vom „alternativen Theater“. Spätestens im Jahre 2001 hat das begonnen, also mit der seinerzeit unter lautem Getöse vollzogenen Trennung von ihren GründerInnen Norbert Kentrup und Dagmar Papula. „Wir sind jetzt ein ganz normales Stadttheater“, hieß es damals aus dem Ensemble. „Unser Publikum kommt heute aus allen Bereichen“, sagt Peter Lüchinger, der selbst schon seit 1989 dabei ist.

Und es bringt gewisse, mitunter langjährig gepflegte Erwartungen mit, die irgendwie erfüllt werden wollen. Dazu gehört, dass sie stets mit einbezogen werden, im direkten Kontakt zu „ihren“ SchauspielerInnen stehen wollen. Und dazu gehört das eherne Prinzip des Rollenwechsels, die zunächst auch aus der Not geborene Mehrfachbesetzung. Bei denen dann freilich gerade die Männerrollen gerne von Frauen übernommen werden. Es ist ein Stilelement, auf das man in der BSC immer noch „stolz“ ist, wie Renate Heitmann sagt, die selbst über 15 Jahre dabei ist.

Es kommt natürlich auch bei „Kiss me, Kate“ wieder vor, der Premiere zur 25. Spielzeit. Als Teil einer festes Ritual gewordenen Ästhetik, die erst langsam aufbricht. Im vergangenen Jahr etwa, als der Video-Beamer in Shakespeares „Kaufmann von Venedig“ Einzug hielt und der Rollenwechsel mal ein Ende hatte. „Die Schauspielerei kann durch dieses ständige Rein-Raus etwas Mechanisches bekommen“, sagte die Regisseurin Nora Somaini seinerzeit – nicht ohne dem „Urtümlichen“ und „Bauerntheaterhaften“ jener Methode nochmal ein Kompliment zu machen. Und doch wird diese gerade in „Kiss me, Kate“ auch mal liebenswert selbstironisch gebrochen und auf spielerische Weise reflektiert. Etwa dort, wo drei – oder sind es vier? – DienerInnen zugleich auftreten, verkörpert von einem durchaus wandlungsfähigen und spielfreudigen Tobias Dürr, der alles in allem sechs Rollen zu erfüllen hat.

Doch das Stück, das die Geschichte einer Theatergruppe erzählt, die William Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ aufführt, weist viele Parallelen zur Company selbst auf – bis hin zur Rolle des Produzenten Fred Graham, der sich mit der männlichen und seine Ex-Geliebte Lilli mit der weiblichen Hauptrolle besetzt. „Ich sehe in ihm einen politischen Theatermacher, der privat und beruflich nicht viel von Harmoniesucht hält“, sagt Regisseur Mathias Schönsee. Da wird natürlich eigene Geschichte „verkompostiert“, wie es Renate Heitmann ausdrückt. Oder zumindest mit ihr kokettiert, nicht zuletzt dort, wo es ums Geld, die eigene Karriere, die technischen Unzulänglichkeiten des Hauses geht.

Zugleich ist „Kiss me, Kate“ eine mit Längen behaftete, bisweilen etwas absurde und trubelige, mitunter auch witzige Komödie mit musikalischen Sprengseln und integriertem Making-of. Eine, die immer wieder von Szenenapplaus begleitet wird, im getreuen Publikum manchen Schenkelklopfer hervorruft, aber zugleich der latenten Gefahr von allzu viel Kitsch entgeht. Von der 40er-Jahre Szenerie, der das Originalwerk entstammt, hat sich Schönsees Arbeit emanzipiert. Indes verkneift er sich deutliche politische Anspielungen.

Insgesamt feiern in der laufenden Spielzeit sechs Stücke Premiere, jedoch nur zwei, die der Hausautor beigetragen hat – „Viel Lärm um Nichts“ und „Hamlet“. Ansonsten gibt es jedoch noch allerlei aus dessen Repertoire zu sehen, Mutiges, wie besagten „Kaufmann von Venedig“ etwa, aber auch eher Mittelmäßiges, wie die selten gespielte Komödie „Maß für Maß“. Weiterhin warten müssen die BSC-Fans – 2007 / 08 kamen rund 34.000 ZuschauerInnen zu 248 Vorstellungen – dagegen auf „Richard III.“ sowie auf diverse Dramen zu Königen, die Heinrich hießen.

Sollten sie doch noch inszeniert werden, dann auf jeden Fall am Standort am Leibnizplatz, der vor 20 Jahren mal als „Provisorium“ gedacht war. Die Entscheidung für diesen Standort sei nun gefallen, sagt Heitmann. Auch wenn er „noch kein richtiges Theater“ beherberge. Aber das soll ja noch kommen, im Zuge des Umbaus der benachbarten Schule. Zum Ende des Jahres ist ein Architekten-Wettbewerb ausgeschrieben, der zumindest schon mal die „Hülle“ des neuen Theaters mitplant.

Geklärt ist auch die Frage, ob die BSC künftig vom legendären Einheitslohn von derzeit 1.300 Euro netto abweicht: Nein, sagt Heitmann. Wenn auch nicht unbedingt aus ideologischen Gründen, wie zu Kentrups Zeiten. Sondern weil der knapp zur Hälfte aus dem Kulturressort finanzierte Etat von rund 1,6 Millionen Euro zu klein sei für eine sinnvolle Lohnspreizung. Erhalten bleibt auch der Verzicht auf Chefposten, die also solche bezeichnet werden. Obwohl, sagt Heitmann: Heute sind die Hierarchien flacher als in den Anfangsjahren – als noch das Gegenteil postuliert wurde.