Aufenthalt

Champagner in Neukölln

B. hat seinen „Aufenthalt“ bekommen. Nachdem er im vorigen Jahr alle drei Monate nach Italien, Spanien oder Montenegro ausreisen musste, will er jetzt Deutschland nicht mehr verlassen. Darum muss als Erstes eine richtige Berliner Wohnung her. In Zehlendorf oder in Neukölln. Alles soll dabei möglichst normal sein.

B. besitzt sogar eine reguläre 10-Uhr-Fahrkarte. Auch weil der Mann, der den Aufenthalt stempelte, gemahnt hatte: Nicht schwarzfahren und bei rot nicht die Straße queren. Und um Drogeneldorados wie den Volkspark Hasenheide auch bei schönem Wetter einen großen Bogen machen.

Dann bekomme ich eine begeisterte SMS: „Upravo hodam Karl-Marx-Straße: Immigration hintergrunders everywhere!“ Kein Zweifel, es ist Neukölln geworden. Nicht Zehlendorf. Und B. ist sehr zufrieden mit dem, was er in seinem neuen Hood vorfindet, nämlich: keine Kartoffeldeutschen. Keine BVG-Kontrollen. Raucherkneipen. Billiges Bier. Etwas abseits der arabischen Sonnenallee und der deutschen Weserstraße entspannt sich B.s neue Heimat im Dreieck Opatija Grill – Split Quelle – Euro Imbiss.

Letzte Woche kamen die Möbel: zweimal Ledercouch, einmal Waschmaschine, viel Kram und noch mehr Geschirr. B. stellt sich seither meinen Freunden so vor: „Hallo, ich bin B. Ich komme aus Neukölln. Kommt vorbei, ich habe mehr Geschirr als Freunde.“ Tatsächlich hat B. sogar Champagnergläser. Sein Plan: die Kartoffeln kommen und machen das viele Geschirr schmutzig. Dann kann er sich eine Spülmaschine aus Serbien kommen lassen. Dem Neuköllner Lebensstandard müsse man sich schließlich nicht restlos anpassen. SONJA VOGEL