Garantiert launisch

Russlands Star Andrej Arschawin mag nicht immer so gut spielen, wie er kann. Seine Trainer sind da machtlos

BERLIN taz ■ Andrej Arschawin kommt. Und ein Großteil der Aufmerksamkeit, die der russischen Nationalmannschaft vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Russland am Samstag in Dortmund (20.45 Uhr/ARD) zuteil wird, richtet sich auf ihn. Seit diesem Europameisterschaftssommer, seitdem er mit zwei ansehnlichen Auftritten dazu beigetragen hat, Russland ins Halbfinale zu führen, gehört er zu den Stars der Szene. Arschawin ist der Superrusse der Fußballszene.

So schöne Geschichten lassen sich erzählen von ihm. Die handeln nicht nur davon, wie der 1,72 große Hänfling mit dem Ball umgehen kann, wie er mit seinen Dribblings die Gegner verwirrt, wie er mit seinem Auge für die Kollegen im Angriff zum Strategen auf dem Feld wird. Arschawin taugt auch deshalb so gut für die Rolle als Superstar, weil er sich als Diva, Kauz und Sonderling zu inszenieren versteht. 27 Jahre ist er alt, stammt aus St. Petersburg und lässt beinahe keine Gelegenheit aus, von der Schönheit seiner Heimatstadt zu schwärmen. Und doch wird er nicht müde, seinen Abschied von seinem Klub Zenit St. Petersburg anzukündigen. „Barcelona“ sagt er, als er im Chat der russischen Tageszeitung Iswestija von einem User nach seiner Lieblingsstadt gefragt wird. Er hat sich auch schon einmal im Trikot des FC Barcelona fotografieren lassen. Im Sommer galt als sicher, dass er den Uefa-Pokal-Gewinner in Richtung Katalonien verlassen wird. Doch aus dem Wechsel wurde nichts. Angeblich wollte Barcelona nicht die geforderten 30 Millionen Euro Ablöse zahlen.

Seither, heißt es, schmolle Arschawin. „Dann spiele ich halt für immer bei Zenit“, soll er gesagt haben. Dass er gut Fußball spielen kann, das ist nur noch in Ausnahmefällen zu beobachten. Im Iswestija-Chat wurde er gefragt, warum er so selten verletzt sei. Arschawin musste lachen und sagte: „Weil mir die Gegenspieler nicht folgen können.“ Arschawin ist nicht der Schnellsten einer, das mag ja noch angehen. Manchmal jedoch hat er gar keine Lust zu laufen. Fußball sieht bei ihm so gar nicht nach Arbeit aus. Auch wenn er Lust aufs Spielen hat, daran dass er seine Abwehr unterstützen könnte, denkt er in den seltensten Fällen.

Warum Arschawin dieser Tage meist so spielt, als wäre er ein normal begabter Fußballer, kann wohl keiner so genau sagen. Mag er nicht oder ist er wirklich außer Form. Guus Hiddink wird ihn jedenfalls einsetzen. Dem Holländer, der die Russen zu einer Spitzenmannschaft geformt hat, geht es nicht viel anders als den Trainern, die es in den Klubs mit Arschawin zu tun hatten. Der Stürmer stellt sich selbst auf. Zu groß ist der öffentliche Aufschrei, wenn Arschawin ins zweite Glied versetzt wird.

Dick Advocaat, Trainer von Zenit St. Petersburg, war fest entschlossen, den Star in die zweite Mannschaft zu verbannen, nachdem dieser ausgerechnet vor dem Spiel gegen den in Petersburg verhassten Hauptstadtklub Spartak Moskau eine Nacht lang durchgezecht hatte. Der Protest der Fans war so groß, dass Advocaat Arschawin schnellstens wieder befördert hat. Auch Hiddink kennt den öffentlichen Druck. Arschawin hatte die ersten beiden EM-Spiele im Sommer wegen einer Rot-Sperre nicht mitmachen dürfen. Hiddink äußerte seine Zweifel daran, ob Arschawin so ganz ohne Spielpraxis eine Verstärkung für die Mannschaft sein könne. Er hat ihn spielen lassen und Arschawin durfte zu dem Star werden, der er heute ist.

Auch Mailand und Rom gefallen Arschawin ganz gut, so hat er es via Iswestija verkündet. Von München war nicht die Rede. Die Bayern sollen ja auch schon einmal nachgefragt haben, für wie viel der Petersburger zu haben sei. ANDREAS RÜTTENAUER