Mit Recht gegen unfaire Konzerne

Anwälte und Entwicklungsorganisation wollen mit juristischen Mitteln gegen Unternehmen vorgehen, die Arbeits- und Sozialgesetze im Ausland missachten

BERLIN taz ■ Multinationale Konzerne müssen künftig verstärkt mit juristischer Gegenwehr rechnen, wenn sie in Entwicklungsländern soziale Rechte und Umweltstandards missachten. Das kündigte Wolfgang Kaleck vom European Center for Consititutional and Human Rights (ECHHR) an. Gemeinsam mit Brot für die Welt und Misereor hat das ECHHR Juristen und Aktivisten aus westlichen Industriestaaten und Ländern des Südens diese Woche zu einer Tagung nach Berlin geladen.

Transnationale Unternehmen wissen inzwischen, was gut ankommt. Sie sprechen viel von sozialer Verantwortung und suchen den Dialog mit Nichtregierungsorganisationen, den NGOs. Doch wenn sie Produktionsstätten in Billiglohnländer verlagern, sind sie oft wenig zimperlich.

Sie missachten und umgehen das örtliche Arbeitsrecht, verschmutzen die Umwelt und vertreiben mit Großprojekten Menschen aus ihrem Lebensraum. Sie verkaufen Pestizide und Medikamente, die in Europa nicht zugelassen sind, und versuchen traditionelle Pflanzen wie Reis zu patentieren. Das ist zumindest die empörte Auflistung der Aktivisten in Berlin.

Gegen solche Machenschaften wollen Hilfsorganisationen und Menschenrechtler künftig verstärkt juristisch vorgehen. Sie sehen das als logische Konsequenz bisheriger Aktivitäten. „Bislang haben wir die Missstände vor allem angeprangert. Wir müssen aber mehr die Möglichkeiten juristischer Regulierung und Kontrolle nutzen“, sagte etwa Danuta Sacher von Brot für die Welt. Anwalt Wolfgang Kaleck hat sich bisher vor allem gegen die Straflosigkeit von Politikern bei Staatsverbrechen engagiert, „es darf aber auch keine Straflosigkeit für Multis geben“, meint er.

Vor Ort nutzen Betroffene schon jetzt oft den Rechtsweg. Die Prozesse führen Juristen wie Raymond Quiocho Salas, der sich auf den Philippinen mit der Organisation Saligan unter anderem gegen Bergbauprojekte engagiert. Teilweise führen solche Prozesse zu erstaunlichen Erfolgen.

Colin Gonsalvez vom indischen Human Rights Law Network erzählte, dass indische Gerichte unter Berufung auf das „Recht auf Ernährung“ Getreideimporte verboten hätten, um die nationale Kontrolle über die Landwirtschaft zu sichern. Organisationen in Europa können solche Rechts-Auseinandersetzungen finanziell und mit Öffentlichkeitsarbeit unterstützen. Außerdem wollen sie bei der Vernetzung helfen und den Austausch von Präzedenzurteilen fördern. Was aber tun, wenn das örtliche Rechtssystem nicht ausreichend funktioniert, zum Beispiel weil Investoren zu sehr geschont werden? Kann dann auch am Heimatsitz der Konzerne in den USA oder Westeuropa geklagt werden?

Zivilrechtlicher Schadensersatz für Menschenrechtsverletzungen im Ausland kann nur in den USA ohne weiteres erhoben werden. Dies erlaubt der „alien tort claims act“, ein Gesetz, das schon seit 1789 gilt. „Ein derartiges Gesetz brauchen wir in Deutschland auch“, forderte Miriam Saage-Maaß vom ECCHR.

Das deutsche Recht sieht bisher vor, dass grundsätzlich in dem Land geklagt werden muss, in dem der Schaden eintrat. Wenn es zu Todesfällen kam, sind allerdings strafrechtliche Ermittlungen gegen die Unternehmensverantwortlichen in Deutschland möglich.

Die Schaffung neuer internationaler Gerichte war bei der Tagung keine Option, um die internationalen Konzerne besser zu kontrollieren. Wie die New Yorker Soziologin Saskia Sassen ausführte, kann die Globalisierung am ehesten mit den Mitteln des Nationalstaats gezähmt werden. „Der Nationalstaat mit seinen Gesetzen, Behörden und Gerichten ist immer noch das leistungsstärkste Instrument, das wir zur Verfügung haben“, sagte sie in Berlin. CHRISTIAN RATH