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The true story of a real fake

Düsseldorf, FDP-Fraktion: Der Ausschluss Möllemanns wird mit einer Stimme verfehlt. Schnitt

Drehbuch STEFAN KUZMANY

Jürgen W. Möllemann (Traumbesetzung: Jürgen W. Möllemann) ist gut aussehend und charmant. Es scheint, als könne der 57-Jährige im Leben alles erreichen. Und dieser Eindruck hält auch dem zweiten Blick noch stand. Allerdings liegt die Sache doch etwas anders, als man gemeinhin erwarten würde. Denn obwohl Jürgen nacheinander überzeugend als Lehrer, Bundeswirtschaftsminister, FDP-Vizechef, Antisemit und Fallschirmspringer arbeitet, verfügt er eigentlich über keinerlei berufliche Sachkenntnis. Wirklich gut beherrscht der Politcharmeur nur eines: die Aufschneiderei. Doch seine irren Flugblätter und gefakten Kontobelege bleiben, trotz aller Versiertheit, bei der FDP-Spitze nicht unbemerkt.

Nach gehöriger Bedenkzeit heftet sich FDP-Chef Guido Westerwelle (Oscar-verdächtig geschminkt: Guido Westerwelle) an seine Fersen. Er will den erfolgreichen Schwindler endlich zur Strecke bringen. Beiden ist klar, dass dieses nervenaufreibende Katz-und-Maus-Spiel nicht glimpflich enden kann.

Die schrägsten Highlights dieser irren Gaunerkomödie:

Nordrhein-Westfalen, Ende Januar 2003. Eine verschneite Nacht in Düsseldorf. Es sieht so aus, als sei Jürgen erledigt. Schon im vergangenen Dezember haben der FDP-Landesvorstand, der FDP-Bundesvorstand und das FDP-Präsidium beschlossen, dass sie ihn loswerden wollen: Fraktionsausschluss, Parteiausschluss.

Andreas Pinkwart (herrlich als Parodie eines farblosen FDP-Landesvorsitzenden: Prof. Dr. Andreas Pinkwart) sitzt in seinem feinen Büro, Sternstraße 44 in Düsseldorf. Nervös tippt er einen Brief an seine Parteifreunde: drei Seiten Vorwürfe gegen Jürgen. Sie sollen noch mal genau wissen, warum sie ihn aus der Landtagsfraktion werfen müssen. Gelogen habe der, getrickst, gefälscht. Pinkwart steht Schweiß auf der Stirn. Er schreibt: „In Würdigung all dieser Fakten hat die FDP-Landtagsfraktion Herrn Möllemann einstimmig aufgefordert, sein Landtagsmandat niederzulegen.“ Einstimmig! Pinkwart ahnt, dass wieder etwas schief gehen wird. Dass Möllemann wieder entkommt. (Zoom auf seine zitternden Hände.)

Eine Nachtbar in der Düsseldorfer Innenstadt. Leichte Mädchen, roter Plüsch. An der Theke: Jürgen W. Möllemann. Er ist deutlich angetrunken, aber gut gelaunt. Der Barkeeper fragt: „Soll ich ein Taxi rufen und Sie heimbringen lassen, Herr Möllemann?“

Jürgen winkt ab.

Er deutet auf ein dickes Bündel von antisemitischen Faltblättern, das aus seiner Aktentasche ragt. „Die müssen heute noch raus!“, lallt er fröhlich. (Abblende.)

Vor der FDP-Zentrale in Düsseldorf, Abend. Wieder fällt Schnee. Vor dem Gebäude warten Reporter. FDP-Chef Westerwelle kommt heraus. Blitzlichtgewitter. Die Journalisten bedrängen den obersten Möllemann-Jäger.

„Herr Westerwelle, werden Sie den Möllemann diesmal erwischen?“

Westerwelle steigt schweigend in seine Dienstlimousine und braust davon.

Andreas Pinkwart kommt aus der Tür. Er ist bleich. Er sagt: „Wir wollen eine Zukunft ohne Herrn Möllemann.“

Es ist eine flehentliche Bitte, keine Feststellung. Pinkwarts Stimme ist grabesschwer, hoffnungslos. (Zoom auf seine tippelnden kleinen Füße.)

Düsseldorf bei Nacht. Kalter Wind pfeift durch die Innenstadt. Wir sehen Jürgen W. Möllemann in einer Telefonzelle. Die Türe ist geschlossen. Die Scheiben sind beschlagen. Schemenhaft kann man erkennen, dass Möllemann hektisch in einem Notizbuch blättert. Eine alte Frau wartet vor der Zelle.

Wir hören Möllemann. Charmant knurrt er in den Hörer: „Natürlich habe ich auch Negative. Du hast keine Wahl!“

Da bemerkt er die alte Frau, hält die Muschel zu, sagt galant: „Geduld, Gnädigste. Nur noch sieben Anrufe!“ Behände wählt er erneut. (Abblende. Die Wählscheibe rattert.)

Der nächste Tag. Vor dem Fraktionssaal der nordrhein-westfälischen FDP in Düsseldorf.

Ein Sprecher tritt vor die Tür, verkündet mit unbewegtem Gesicht: „Die Zweidrittelmehrheit für einen Ausschluss Jürgen W. Möllemanns wurde mit einer Stimme verfehlt. Für den Ausschluss votierten fünfzehn Abgeordnete, dagegen sechs, zwei enthielten sich, ein weiterer nahm nicht an der Abstimmung teil.“ (Schwenk auf Möllemanns Gesicht, ohne Regung.)

Berlin, Bundeszentrale der FDP. Warmes Sonnenlicht flutet durch die großzügigen Fenster. Guido Westerwelle geht auf und ab, wie ein eingesperrtes Tier, flucht. Wieder war der Jäger zu spät, der Taschenspieler einen Trick schneller. Westerwelle stürzt zum Fenster. Springt nicht. Natürlich nicht.

Aber brüllt: „Ich kriege dich! Außerdem will ich Vorsitzender bleiben!“

Heiße Tränen fließen seine Wangen hinab. Die Sekretärin kommt herein, will den Tee servieren. Sieht den Schluchzenden. Schüttelt mit dem Kopf. (Abblende.)

Wie es weitergeht? Das wollen wir hier noch nicht verraten. Nur so viel: Es kommt mal wieder anders, als alle erwartet haben. Vor allem Westerwelle. Die Bundestagsfraktion hat ihre Sitzung am 11. Februar. Die wollte ihn eigentlich auch ausschließen. Aber Jürgen W. Möllemann hat sicher wieder einen irren Trick auf Lager …