Der pragmatische Paulson-Intimus

Der 35-jährige Neel Kashkari verwaltet das 700-Milliarden-Dollar-Rettungspaket für die amerikanische Finanzbranche. Vor acht Jahre entwickelte der ehemalige Raketeningenieur noch Satelliten FOTO: REUTERS

Die USA sind zwar eine Demokratie, haben aber eine Vorliebe für monarchistische Lösungen. Taucht ein dramatisches Problem auf, ernennt man einen Zaren, der dann die Aufgabe übernimmt, eine Lösung zu finden. Der neueste Zar heißt Neel Kashkari. Der 35-jährige indischstämmige US-Amerikaner soll als neuer Chef der Behörde für Finanzstabilität im US-Finanzministerium die Rettung des Finanzsystems beaufsichtigen. Dabei kann Zar Kashkari auf geradezu kaiserliche Ressourcen zurückgreifen – 700 Milliarden Dollar schwer ist das Rettungspaket, das der Kongress bewilligt hat.

In der US-Medienlandschaft hatte niemand damit gerechnet, dass US-Finanzminister Henry Paulson ausgerechnet Kashkari berufen würde. Statt auf Prominenz und Erfahrung setzt Paulson offenbar auf Loyalität und Nähe – zuletzt war Kashkari sein engster Berater.

Damit hatte Kashkari zu Beginn seiner Karriere wohl kaum gerechnet. Nach seinem Ingenieursstudium arbeitete er zunächst drei Jahre beim Raumfahrtkonzern TRW, wo er die Technologie für Nasa-Satelliten entwickelte – bis er sein Interesse an der Finanzwelt entdeckte und ein neues Studium an der Wharton School of Busines begann. 2001 kam er im Rahmen eines Praktikums erstmals mit der Investmentbank Goldman Sachs in Berührung, die ihn nach seinem Abschluss übernahm. 2006 rief ihn Paulson dann ins Finanzministerium. Dort hat Kashkari mit einer Arbeitsgruppe den Rettungsplan formuliert, den er jetzt selbst umsetzen darf.

Während dieser kurzen Karriere hatte Kashkari wenig Gelegenheit, seine Fähigkeiten öffentlich zu präsentieren. Bei einer Tagung des konservativen American Enterprise Instituts in Washington im vergangenen Monat offenbarte der „republikanische Anhänger des freien Marktes“ (Kashkari über Kashkari) allerdings eine tiefe Kenntnis komplexer Hypothekenprodukte und zeigte sich zugleich sehr pragmatisch. „Unser Ausgangspunkt ist, dass es keine Wunderwaffe im Hypothekenmarkt gibt, also kein einzelnes Werkzeug, mit dem wir unsere Probleme lösen werden“, sagte Kashkari.

Ob eine einzelne Person in der Lage sein kann, die Krise in den Griff zu bekommen, ist fraglich. Aber ohnehin könnte die Herrschaft Kashkaris von kurzer Dauer sein. Sowohl John McCain als auch Barack Obama haben erklärt, sie könnten sich Milliardär Warren Buffett als Finanzminister in einer von ihnen geführten Regierung vorstellen. Und falls Kashkari es innerhalb der nächsten drei Monate nicht schafft, das Vertrauen in den Markt schnell zu erneuern, wird ihn ein Finanzminister Buffett als eine seiner ersten Amtshandlungen auf die Straße setzen. BRETT NEELY