Arbeitslos

Schon wieder ein Rekord: Im Januar waren über 313.000 Berliner arbeitslos. Seit 1991 hat sich die Zahl der Arbeitslosen nahezu verdoppelt. Der DGB spricht von einer „Katastrophe“. Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) setzt auf Entbürokratisierung und Sonderwirtschaftszone Ostdeutschland

von RICHARD ROTHER

Die Lage auf dem Berliner Arbeitsmarkt hat sich im Januar erneut dramatisch verschlechtert. Erstmals seit der Wiedervereinigung waren in der Hauptstadt mehr als 300.000 Menschen erwerbslos gemeldet, wie das Landesarbeitsamt gestern offiziell mitteilte. Ende des Monats waren genau 313.473 Arbeitslose registriert, 17.000 mehr als vor einem Monat und 22.500 mehr als vor einem Jahr. Dies entspricht einer Quote von rund 18,5 Prozent. 1991 wurden gar nur knapp 168.800 Arbeitslose gezählt.

Das Landesarbeitsamt führte die negativen Zahlen auf die kalte Jahreszeit und die ungünstige Konjunkturentwicklung zurück. Zum Jahresende habe es deshalb noch mehr Entlassungen gegeben als üblich. Vor einem Jahr lag die Arbeitslosenquote in der Hauptstadt noch bei 17,0 Prozent. Auch die Langzeitarbeitslosigkeit stieg seither nochmals deutlich an: Mehr als 100.000 Berliner sind mittlerweile seit mehr als einem Jahr ohne Arbeitsplatz.

Auch die Zahl der jungen Arbeitslosen nahm nochmals kräftig zu. Im Januar waren 38.100 Menschen unter 25 Jahren bei den Arbeitsämtern registriert, über 10 Prozent mehr als vor einem Jahr. Mit einem Anteil von 12,1 Prozent ist damit mehr als jeder zehnte Arbeitslose unter 25 Jahre alt. Dagegen nahm die Zahl der älteren Arbeitslosen über 55 im Jahresvergleich ab. Von der Arbeitslosigkeit betroffen sind mittlerweile fast alle Berufsgruppen. Besonders schlecht ist die Lage weiterhin auf dem Bau.

„Während in der Öffentlichkeit über weiteren Sozialabbau und Deregulierung diskutiert wird, nimmt die Arbeitsmarktkatastrophe ihren Lauf“, kommentierte Dieter Scholz, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in Berlin und Brandenburg, die neusten Zahlen. Der DGB forderte den Senat auf, die öffentlich geförderte Beschäftigungspolitik zu stärken, um die Jobverluste zumindest teilweise auszugleichen.

Die Grünen bewerteten die Arbeitslosigkeit vieler junger Berliner als „sozialen Sprengstoff“. Sie schlugen vor, vermehrt auf Zeitarbeit und Personalserviceagenturen aus dem Hartz-Konzept zu setzen. Allein in Berlin fielen jährlich 67 Millionen Überstunden an, die nicht in Arbeitsplätze umgewandelt würden. Durch Zeitarbeit könne dieses Potenzial vielleicht erschlossen werden, so Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz. Am 12. Februar findet um 15 Uhr zu diesem Thema eine Podiumsdiskussion im Abgeordnetenhaus statt.

PDS-Wirtschaftssenator Harald Wolf brachte indes die Idee einer Sonderwirtschaftszone Ostdeutschland mit Berlin als Zentrum ins Spiel. Damit könnten neue Unternehmen gegründet oder in bestehenden mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, argumentiert Wolf. Dafür sei es aber nötig, dass die Landtage in Ostdeutschland und das Abgeordnetenhaus ermächtigt würden, Bundesvorschriften abzubauen oder zu vereinfachen.

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