Pakistan als nächstes Ziel einer US-Invasion?

In Pakistan wird nicht nur ein Irakkrieg abgelehnt, sondern auch befürchtet, selbst zum Kriegsschauplatz zu werden

Pakistan könnte Heimat der Gotteskrieger werden, die mit dem Irakkrieg entstehen

DELHI taz ■ Der pakistanische Journalist und Politologe Ejaz Haider ist kürzlich in Washington von der US-Einwanderungsbehörde INS verhaftet worden. Er hatte es versäumt, sich nach seiner Ankunft in den USA registrieren zu lassen, wie dies das Justizministerium von männlichen Staatsbürgern aus 25 meist islamischen Ländern neuerdings verlangt. Haider ist Gastprofessor der Brookings Institution, eines angesehenen Think-Tanks, und kam wegen dessen rascher Intervention nach 24 Stunden wieder frei.

Haider ist aber auch ein Bekannter von Pakistans Außenminister K. M. Kasuri. Der war zur gleichen Zeit in Washington, wo er ausgerechnet dafür warb, Pakistaner von der demütigenden Registrierungspflicht – Befragung unter Eid, Fingerabdrücke und Ablichtung – zu befreien. Haiders Schikanierung wurde zu Hause als Fußtritt für Pakistan empfunden, nachdem Kasuri bereits zuvor bei Außenminister Colin Powell und Justizminister John Ashcroft auf taube Ohren gestoßen war.

Die Geringschätzung der USA für einen ihrer wichtigsten Verbündeten in der Operation „Enduring Freedom“ wird in Pakistan mit wachsendem Ärger registriert. Dies passt zur groben Behandlung pakistanischer Bürger und pakistanischstämmiger US-Bürger nach dem 11. September 2001. Sie wurden nach ihrer Verhaftung in den USA über ein Jahr in Einzelhaft ohne Außenkontakt festgehalten. Das Verhalten der US-Regierung hat in Pakistan inzwischen den Hass auf die USA, der sich beim Krieg gegen die Taliban noch auf die Stammesgebiete und Großstädte beschränkte, auf den Großteil der Bevölkerung ausgedehnt.

Ein Zwischenfall Ende letzten Jahres zeigt, dass darunter inzwischen auch die Kooperation amerikanischer und pakistanischer Truppen leidet. Bei einer gemeinsamen Patrouille an der afghanischen Grenze kam es am 29. Dezember zu einer Schießerei zwischen pakistanischen „Frontier Scouts“ und US-Special Forces, bei der ein Amerikaner verletzt wurde. Er forderte Luftunterstützung an, worauf ein US-Jet eine Rakete in eine Islamschule auf pakistanischem Boden schoss, in die zwei Scouts geflüchtet waren. Sie kamen ums Leben.

Die drohende Irak-Invasion gibt der antiamerikanischen Stimmung zusätzlich Auftrieb. Wie in weiten Teilen der islamischen Welt wird der Druck der USA auf Saddam Hussein auch in Pakistan als Angriff auf den Islam interpretiert. Eine US-Invasion soll im Zentrum der arabischen Welt ein Regime einsetzen, so ein Kommentar, das die kulturelle Hegemonie des Westens geopolitisch sichert und sich wirtschaftlich unterwirft. Eine US-Umfrage in 44 Ländern stellte in Ägypten und Pakistan die stärkste Negativperzeption der USA fest, mit nur 10 Prozent Befürwortern der US-Politik. Eine ähnliche Untersuchung des US-Außenministeriums ergab eine positive Mehrheit für Saddam Hussein bei starker Ablehnung militärischer Aktionen gegen ihn.

Wie das eingangs erwähnte Verhalten des INS zeigt, bemüht sich Washington kaum, dieses Feindbild aufzuweichen. Die Tilgung von Schulden in Höhe von einer Milliarde US-Dollar war nicht mehr als das Einlösen alter Versprechen und erfolgte fast zeitgleich mit einer Erklärung der US-Botschafterin, Islamabad müsse endlich „aufhören, eine Plattform des Terrorismus“ zu sein. US-Berichte über eine Zusammenarbeit zwischen Pakistan und Nordkorea bei der Entwicklung von Atomraketen sorgten für zusätzliche Irritation und werden in Islamabad als gezielte Indiskretion der Bush-Regierung gewertet.

Pakistans Regierung ist auf sich gestellt, um dem wachsenden Druck von Bevölkerung und Parlament entgegenzutreten. Bisher gelang es, die Islamisten im Zaum zu halten. Die in den Wahlen vom Oktober erfolgreiche MMA-Koalition sechs islamistischer Parteien wurde mit Pfründen und symbolischen Gesten geködert, so etwa dem Status als offizielle Oppositionspartei. Es kam zu Straßenprotesten der MMA, doch fehlten bisher die Art von Hasstiraden wie nach dem Fall der Taliban vor einem Jahr. Um diese nicht heraufzubeschwören, lehnt Pakistan ein einseitiges Vorgehen der USA gegen Irak ab und schließt sich den Staaten an, die mehr Zeit für die Inspektoren und ein klares UNO-Mandat fordern.

In Pakistan wird ein Irakkrieg als Angriff auf die islamische Welt gewertet

Pakistans Spielraum ist aber sehr gering. Denn die Abhängigkeit von Washington ist seit dem 11. September noch gewachsen, und zugleich zeigen die Wahlerfolge der Islamisten, dass ihre antiamerikanische Rhetorik immer mehr Anhänger findet. Die breite Ablehnung eines Kriegs gegen Irak gründet auch in der wachsenden Furcht, dass Pakistan zur nächsten Zielscheibe der Supermacht USA werden könnte. In Islamabad verbirgt sich hinter einer demokratischen Fassade ein autoritäres Militärregime. Dieses verfügt über Nuklearwaffen. Machthaber Pervez Musharraf drohte schon, sie gegen Indien einzusetzen. Nach dem 11. September war ein Atomwissenschafter verhaftet worden, der Ussama Bin Laden atomares Know-how vermitteln wollte. Die Taliban sind in Pakistan entstanden und haben dort heute wieder Unterschlupf gefunden. Bin Laden lebte nicht in Irak, sondern in Pakistan und hält sich dort vielleicht auch heute wieder auf, genauso wie zahlreiche seiner Al-Qaida-Kader. Taliban-Anhänger sitzen heute in Pakistans Parlament.

Sollte das US-Abenteuer im Irak gelingen, fürchten besorgte Kommentatoren in Indien und Pakistan, werde George Bush auch in Pakistan aufräumen wollen. Er werde dies nicht zuletzt auch deshalb tun müssen, meinte Indiens Sunday Express, um der Armee der „Gotteskrieger“ Herr zu werden, die nach einem Irakkrieg wie Pilze aus dem Boden schießen würden und deren natürliches Refugium Pakistan wäre. Der Besitz von Atomwaffen bietet wie im Fall Nordkoreas nur vorläufigen Schutz. Denn er ist auch eine Einladung an die USA, einen solchen Unruheherd auszuräumen. BERNARD IMHASLY