Verbrechen mit Mathe bekämpft

Innensenator Ronald Schill stellt die polizeiliche Kriminalstatistik 2002 vor. Schenkt man dieser Glauben, sindStraftaten in Hamburg um 15,5 Prozent gesunken. Die Opposition glaubt hingegen, dass die Zahlen zurechtgetrickst sind

von ELKE SPANNER

Für Ronald Schill war es gestern ein großer Tag. Er konnte seinenTraum wahr machen und der Öffentlichkeit verkünden, dass Hamburg „nicht mehr die Hauptstadt des Verbrechens, sondern Hauptstadt der Verbrechensbekämpfung ist“. Denn der aktuellen polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) zufolge ist die Anzahl der Straftaten in Hamburg im vergangenen Jahr um 15,5 Prozent zurückgegangen.

Dieses Ergebnis hat Schill allerdings nicht nur seiner Politik, sondern auch seinen Rechenkünsten zu verdanken. Dass die Bilanz so positiv ausfallen konnte, liegt vor allem daran, dass im Vorjahr ein Großverfahren der Wirtschaftskriminalität in die Statistik mit eingeflossen war, das alleine aus 25.000 Einzelfällen bestand – und die registrierten Straftaten deshalb unverhältnismäßig noch oben trieb. Zurzeit laufen ähnliche Ermittlungen mit 48.000 Einzelfällen. Die aber tauchen in Schills Statistik nicht auf. Würde er sie einberechnen, könnte er nur noch einen Rückgang um 7,9 Prozent vorweisen.

Und auch der geht nicht allein auf Schills repressiven Kurs zurück. So wurden 2002 zwar 19,2 Prozent weniger Raubtaten mit „jugendtypischer Begehungsweise“ festgestellt. Die aber werden immer noch mit dem „Anti-Raub-Konzept“ des alten rotgrünen Senates bekämpft – und auch unter diesem war die Zahl bereits zurückgegangen. Ähnlich verhält es sich mit den Wohnungseinbrüchen: Hier ist laut Schill „der niedrigste Stand seit 1980“ erreicht. Die Zahl nimmt seit Jahren kontinuierlich ab.

Besonders führt Schill seine errechneten Erfolge auf die Zerschlagung der offenen Drogenszene zurück. 17,2 Prozent weniger Fälle von Drogenhandel habe die Polizei im Vorjahr registriert. Unter Rot-Grün hätte sich „die Attraktivität des Drogenstandortes Hamburg bis nach Westafrika rumgesprochen“ gehabt. Er aber habe dieser „Sogwirkung“ ein Ende bereitet. 150 bis 200 PolizistInnen seien zur Bekämpfung der Szene ständig in der Innenstadt eingesetzt, ergänzte Polizeipräsident Udo Nagel. Statt wie zuvor 1600 Dealer wären nur noch 200 auf den Straßen, „viele Leute sind weggesperrt oder ausgewiesen worden“. Und wer behaupten wolle, so der Innensenator, die Szene sei nur vom Hauptbahnhof weg in Seitenstraßen und Privatwohnungen verlagert worden, der verkenne, „dass gerade das der Polizei ermöglicht, in neue Hierarchieebenen der Dealer einzusteigen“. Denn wenn Drogen statt auf der Straße in den Wohnungen verkauft werden, könnte die Polizei auch diese ausfindig machen – und dort dann Crackküchen ausheben.

Wegen seiner eigenwilligen Rechnung warnte die SPD-Fraktion Schill gestern vor „Trickserei“. Auch die GAL mahnte einen seriösen Umgang mit Zahlen an. Der innenpolitische Sprecher Manfred Mahr riet dem Senat zu „etwas mehr Bescheidenheit“. Davon ist bisher noch keine Spur. Im Gegenteil: Schill freut sich schon auf die PKS im kommenden Jahr. Denn dann, glaubt er, wird seine Erfolgsbilanz „reif für das Guiness-Buch der Rekorde sein“.