ÖSTERREICHS GRÜNE MÜSSEN GEGEN IHRE BISHERIGEN PRINZIPIEN HANDELN
: Schwarz-Grün ist machbar

In den geflügelten Worten der Politik, etwa von der „Kunst des Machbaren“, klingt eine tragische Konstellation an: Wer sich in das Geschäft der Politik begibt, kann nie tun, was er will, sondern nur das, was die Umstände erlauben. Doch selten hat eine politische Partei derart contre coeur entschieden wie die österreichischen Grünen, die nun die Aufnahme von Koalitionsgesprächen beschlossen – mit der konservativen ÖVP, einer Partei, mit der sie nie regieren wollten.

Die Austro-Grünen ersehnten immer das „rot-grüne“ Projekt – vor allem in den vergangenen drei Jahren, in denen es als die logische Alternative zum rechten Regierungsexperiment von ÖVP und FPÖ galt. Doch die Wähler haben im November Umstände geschaffen, die nicht nur Rot-Grün rein rechnerisch verunmöglichten, sondern erheblichen Druck auf die Grünen ausübten, sich mit einer schwarz-grünen Perspektive anzufreunden. Die ÖVP unter Wolfang Schüssel ging als strahlender Sieger aus den Wahlen hervor, die rechtspopulistischen Freiheitlichen wurden marginalisiert, die Sozialdemokraten erstmals seit 30 Jahren auf den zweiten Platz verwiesen. Die ÖVP entdeckte sofort den „Charme“ einer schwarz-grünen Konstellation.

Nach dem Wahltriumph sprach wenig dafür, sich abermals den Pestgeruch des Rechtspopulismus ins Haus zu holen; ein Bündnis mit den Sozialdemokraten wäre möglich gewesen, doch warum mit einem starken Partner regieren, wenn es einen kleinen Alternativkandidaten gibt? Und mit den Grünen an der Seite könnte sich Schüssel nach seinem Pakt mit Haider sogar im Kreise der modernen europäischen Politiker resozialisieren.

Doch auch die Grünen mussten zur Kenntnis nehmen, dass vieles für einen Eintritt in eine Koalition spricht. Die große Koalition haben sie schließlich immer als Koalition der Lähmung abgelehnt, zur ÖVP-FPÖ-Rechtskoalition standen sie in schroffer Opposition. Nun haben allein sie es in der Hand, beide Varianten zu verhindern. Sie haben kaum eine andere Wahl. Dass die Koalitionsverhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss kommen, ist keineswegs sicher. Aber seit vorgestern doch ziemlich wahrscheinlich. ROBERT MISIK