Tausche Architekten gegen Weizen

Die EU feilt an ihrem Verhandlungsangebot für die nächste Runde bei der Welthandelsorganisation. Ende März muss in Genf ein Vorschlag auf dem Tisch liegen. Doch vor allem die Bauern hängen an ihren Privilegien. Dienstleistungen weniger strittig

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Als Pascal Lamy, der Außenhandelskommissar der Europäischen Union, Anfang der Woche in der katholischen belgischen Universität Louvain-La-Neuve seinen Ehrendoktorhut entgegennehmen wollte, wurde er von wütenden Demonstranten empfangen. Denn als Chefunterhändler der EU in der neuen Welthandelsrunde ist Lamy für viele Studenten ein Symbol neoliberaler Globalisierungspolitik.

Die Kritik trifft den Falschen. Der französische Sozialdemokrat Lamy hat sich seit seinem Amtsantritt im Sommer 1999 dafür eingesetzt, Handelsschranken für Importe aus den ärmsten Ländern der Erde abzubauen. Seine Everything-but-arms-Initiaxtive wurde nicht von der Kommission gebremst, sondern von der europäischen Agrarlobby, die Konkurrenz aus Entwicklungsländern fürchtet.

Die Bauern wollen ihre Privilegien nicht verlieren. Da sich das verkrustete System der Agrarsubventionen von innen heraus nicht reformieren lässt, hofft Agrarkommissar Fischler darauf, dass die derzeit laufende Verhandlungsrunde in der WTO genügend Außendruck erzeugt. Denn Importzölle, Exportbeihilfen und Stützzahlungen verschaffen den Erzeugern in der EU Marktvorteile. Im November 2001 in Doha hatten sich aber 142 Staaten darauf geeinigt, diese Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen und damit den ärmeren Ländern gleichberechtigte Chancen im Welthandel zu eröffnen.

Da die Staaten bis Ende März dieses Jahres ihr Verhandlungsangebot präsentieren müssen, steht auch die EU unter Zeitdruck. Ende Januar einigten sich die Außenminister darauf, eine Verminderung der Importzölle um 36 Prozent, der Exportbeihilfen um 45 Prozent und der Stützzahlungen für Landwirte um 55 Prozent innerhalb von zehn Jahren anzubieten. Die ärmsten Länder sollen landwirtschaftliche Produkte zollfrei in die EU einführen können.

Dass damit der Kampf der EU-Bauern um die lukrativen Hilfen aus Brüssel noch nicht zu Ende ist, zeigt eine Änderung, die in letzter Minute auf französischen Wunsch in das Verhandlungsangebot eingebaut wurde. Die Produkte, für die Exportsubventionen schrittweise abgebaut werden, tauchen nicht mehr namentlich auf. Stattdessen wird allgemein zugesagt, für sieben landwirtschaftliche Erzeugnisse die Exporthilfen auslaufen zu lassen. Frankreich hofft auf eine Ausnahme für Weizen. Die Preise sollen auch künftig so weit heruntersubventioniert werden, dass französische Bauern die Entwicklungsländer auf dem Weltmarkt unterbieten können.

Im Dienstleistungsbereich will die EU den Forderungen der Entwicklungs- und Schwellenländer allerdings entgegenkommen. Da Dienstleistungen dort mit über 50 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beitragen, besteht großes Interesse daran, sie in der EU anzubieten. Pascal Lamy stellte dazu am Mittwoch die Vorschläge der Kommission vor, die im Fachministerrat und im Parlament noch gebilligt werden müssen. In der Computerbranche, bei Finanzdienstleistungen und im Tourismus sollen Unternehmen aus Drittländern in den europäischen Markt einsteigen können. Für maximal sechs Monate sollen sie ihre Angestellten in ein EU-Land entsenden können.

Man müsse sich das bei der WTO wie eine Auktion vorstellen, erklärte der Außenhandelskommissar: „Man bietet zum Beispiel an, den Markt im Bereich Telekommunikation zu öffnen, und wartet auf Reaktionen für Bereiche, wo wir stark sind, zum Beispiel Bauausschreibungen für Architekten.“ Der öffentliche Sektor ist aber ausgenommen: Im Gesundheits- und Erziehungsbereich, bei Film und Fernsehen will Lamy keine Firmen aus Drittländern zulassen.