Ulla Schmidt lässt sich Zeit bis zum Mai

Jetzt also doch: Die Gesundheitsministerin will ihre Reformvorschläge zeitgleich mit Rürup-Ergebnissen vorstellen

BERLIN taz ■ Das war fast schon wie Pfingsten. Nach wochenlangem Durcheinanderschwatzen von SPD, Kanzleramt, Gesundheitsexperten und anderen Interessierten erlöste Gesundheitsministerin Ulla Schmidt das Volk der Krankenversicherten gestern von der Frage, wann es denn nun mit welcher Gesundheitsrefom zu rechnen hat.

Gemeinsam mit Bert Rürup, dem Chef der nach ihm benannten Kommission zum Umbau der Sozialsysteme, trat Schmidt vor die Presse und erklärte: Im Mai werde sie „ein Gesamtpaket“ von Vorschlägen vorlegen, „sodass wir in diesem Jahr noch ein umfassendes Gesetzespaket verabschieden können“. Auf den Weg gebracht werden soll es vor der parlamentarischen Sommerpause. Angesichts der miesen Konjunkturaussichten, sagte Schmidt, „beschleunigen wir also das Tempo“.

Das gilt zwar für Rürup, der eigentlich mehr Zeit für seine Finanzreform bekommen sollte, aber nicht für die Schmidt’sche Strukturrefom. Die muss nun warten – vor allem auf Druck der SPD-Fraktion, die sich daran stärker beteiligen will. Denn statt eines Gesamtpakets war zunächst geplant, dass erst mit Veränderungen an der Ausgabenseite Patienten, Kassen und Ärzte zum Sparen und zu mehr Effizienz gezwungen werden sollten. Dann sollte eine Reform der Einnahmenseite à la Rürup kommen, nach dem Motto: Was Schmidt spart, braucht Rürup nicht hereinzuholen.

Der Verfechter dieser Parole, der Schmidt-Berater Karl Lauterbach, kritisierte gestern die Paketlösung: „Es ist keine gute Strategie“, sagte Lauterbach zur taz, „denn dadurch bringt sich Schmidt in eine missliche Situation.“ Schließlich ist die Strukturreform mehr oder weniger fertig.

Deren „Eckpunkte“ präsentierte Schmidt auch gestern schon der erstmals tagenden Arbeitsgruppe Gesundheit der Rürup-Kommission, die „Design und Struktur einmütig begrüßte“, wie Rürup selbst erklärte. Diese Eckpunkte nun bis zum Mai liegen zu lassen, statt sie gleich auf den Gesetzweg zu schicken, bedeute nichts anderes, als dass „Ärzte und Opposition darüber herfallen und einen konkreten Gesetzentwurf verlangen“, befürchtet Lauterbach.

Den Anfang machten beide gestern bereits. Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung kritisierten in Gestalt ihrer beiden Chefs Jörg-Dietrich Hoppe und Manfred Richter-Reichhelm den Plan, ein „Deutsches Zentrum für Qualität in der Medizin“ zu gründen. „Die Politik ist auf dem besten Wege, dem System einen richtigen Fremdkörper einzupflanzen. So etwas produziert Abwehrreaktionen“, sagte Hoppe. Ärzte wie Kassen sehen durch ein staatliches Institut, das Leitlinien für Therapien formulieren soll, ihre Selbstverwaltung bedroht.

Zu anderen Schmidt-Vorschlägen äußerten sich die Ärzte verhalten positiv. Die Einführung einer Patientenquittung etwa dürfe nur „auf freiwilliger Basis“ geschehen. Zu einem Lob ließ sich Richter-Reichhelm sogar in der Frage hinreißen, wie ambulanter und stationärer Bereich „verzahnt“ werden sollen: Die Kassenärztliche Vereinigung begrüße, dass Schmidt „die Krankenhäuser nicht generell für die ambulante Versorgung öffnen will“, erklärte er.

Auch Andreas Storm, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, erklärte die Instituts-Idee zum „direkten Weg in die Staatsmedizin“. Außerdem sei die Union gegen die Freigabe des Internethandels mit Medikamenten, so Storm zur taz. Gegen andere Schmidt-Vorschläge brachte er zunächst nichts vor, nannte sie aber „insgesamt unzureichend“. Die Chancen, dass die Union einem Gesamtreformpaket im Bundesrat zustimmen werde, „haben sich heute jedenfalls nicht erhöht“, erklärte Storm.

Schmidt blieb gestern bei ihren Ausführungen, wie und wann eine Beteiligung der Union an der Reform beginnen könnte, reichlich unklar. „Wir werden auf der Ebene der Partei- und Fraktionsvorsitzenden Gespräche suchen“, sagte sie. „Aber gegenwärtig weiß man ja nicht, wer in der Union die Prokura hat.“

ULRIKE WINKELMANN