Skepsis nach der Beweis-Show

Positive Reaktionen auf die Rede von US-Außenminister Powell kommen vor allem aus Osteuropa. Frankreich hält sich weiter alle Optionen offen

aus New York ANDREAS ZUMACH

Der Auftritt von US-Außenminister Colin Powell vor dem UNO-Sicherheitsrat ist bei den Vereinten Nationen und weltweit überwiegend skeptisch aufgenommen worden. Bei den für die Irakkrise relevanten Akteuren hat die Rede Powells zumindest zunächst nicht erkennbar zu veränderten Meinungen über das weitere Vorgehen geführt.

In der New Yorker UNO-Zentrale wird damit gerechnet, dass nach der für das Wochenende geplanten Reise der beiden UNO-Chefinspektoren Hans Blix (Unmovic) und Mohammed al-Baradei (IAEO) nach Bagdad und ihrem für den kommenden Freitag vorgesehenen Bericht vor dem Sicherheitsrat Beratungen über eine zweite Irakresolution beginnen.

Von entscheidender Bedeutung für die künftige Meinungsbildung im Sicherheitsrat ist die französiche Position. Paris hat sich bislang zwar mit einer Ablehnung der amerikanisch-britischen Kriegspläne profiliert, sich zugleich aber alle Optionen ausdrücklich offen gehalten. Auch nach der Rede Powells gebe es „keine Änderung in der Position Frankreichs“, erklärte Premierminister Jean-Piere Raffarin am Donnerstag und fügte hinzu: „Wir wollen, dass die Inspektoren im Irak weiterarbeiten, wir wollen keinen Krieg, Massenvernichtungswaffen können auch auf andere Weise zerstört werden. Krieg ist nur der letzte Ausweg.“

Der Hinweis auf den „Krieg als letzten Ausweg“ fehlte in den ansonsten fast wortgleichen Äußerungen von Bundesaußenminister Joschka Fischer seit der Sicherheitsratssitzung vom Mittwoch. Fischer unterstützte den Vorschlag seines französischen Amtskollegen Dominique de Villepin, die Inspektionen im Irak erheblich zu verstärken durch eine personelle Aufstockung der Unomovic und der IAEO-Teams sowie ihre verbesserte Ausrüstung mit Überwachungstechnologie. Villepin erklärte zwar, Powell habe vor dem Sicherheitsrat „keine größeren Überraschungen oder formellen Beweise auf den Tisch gelegt“. Zugleich sprach der französische Außenminister von einer „irakischen Gefahr“ und verlangte von Bagdad „klare Antworten auf alle noch offenen Fragen“.

Zu dem Thema einer neuen Irakresolution wollten Villepin und Fischer „zum jetzigen Zeitpunkt“ noch nicht öffentlich Stellung beziehen. Ähnlich wie Berlin und Paris reagierten auch Moskau und Peking auf die Powell-Rede. In allen vier Hauptstädten wartet man jetzt auch das Ergebnis der Bagdadreise von Blix und Baradei, die – so Fischer – „von herausragender Bedeutung“ sei. Die beiden Chefinspektoren kündigten an, dass die Unmovic und die IAEO die von Powell vorgelegten Behauptungen, Indizien und angeblichen Beweise im Irak vor Ort überprüfen werden. UNO-Generalsekretär Kofi Annan geht auch nach dem Auftritt von Powell vor dem Sicherheitsrat davon aus, dass ein Krieg gegen Irak „weiterhin vermeidbar ist“. Annan schloss aus, dass er – ähnlich wie im Februar 1998 – zu Vermittlungsgesprächen nach Bagdad reisen werde.

Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, äußerte sich sehr skeptisch zur Beweiskraft der von Powell präsentierten Materialien. Die 22 Mitgliedsstaten der Liga wollen am 16. Februar in Kairo auf einer Sondersitzung ihrer Außenminister nach politischen Lösungen zur Verhinderung eines Irakkrieges suchen.

Positive Reaktionen auf Powells Rede kamen lediglich aus Australien, Italien und einigen Ländern Ost- und Südosteuropas. Nach Ansicht des australischen Premierministers John Howard habe Powell die „Täuschungsmanöver Bagdad deutlich offen gelegt“. Das von den USA vorgelegte Material konfrontiere den UNO-Sicherheitsrat mit einer „direkten und unvermeidlichen Herausforderung“. Australien ist neben den USA und Großbritannien bislang das einzige Land, das Truppenkontingente für einen Krieg gegen Irak in die Golfregion entsandt hat.

Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi lobte Powells Rede. Sie habe „zuverlässig gezeigt“ dass Irak die UNO-Resolutionen verletze und Beziehungen zu internationalen Terroristen unterhalte. In einer am Mittwoch in New York veröffentlichten gemeinsamen Erklärung der Außenminister von zehn ost- und südosteuropäischen Staten heißt es, Powell habe dem Sicherheitsrat „überzeugende Beweise vorgelegt für die Massenvernichtungsprogramme des Irak, seine aktiven Bemühungen um Täuschung der UNO-Inspektoren und seine Verbindungen zum internationalen Terrorismus“.

Die Unterzeichner (Albanien, Bulgarien, Kroatien, Mazedonien, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen) fordern den Sicherheitsrat auf, „die notwendigen und angemessenen Maßnahmen als Antwort auf Iraks andauernde Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit zu ergreifen“. Nach Informationen der taz aus diplomatischen Kreisen in der New Yorker UNO-Zentrale war die Erklärung bereits vor der Rede Powells formuliert worden – unter aktiver Beteiligung US-amerikanischer Regierungsvertreter.